Klatschbuhen im Camp Nou

Barcelona stellt den Champions-League-Rekord von zehn Siegen in zehn Spielen ein, wird aber ausgepfiffen, weil es in der spanischen Liga keineswegs rekordverdächtig läuft

BARCELONA taz ■ Am Spielfeldrand sah Louis van Gaal, wie sein Team, der FC Barcelona, enthusiastisch den zehnten Sieg im zehnten Champions-League-Spiel dieser Saison erkämpfte, und oben auf der Haupttribüne hörte seine Lebensgefährtin Truus Opmeer, wie die Fans den Rekord würdigten. Sie pfiffen den Trainer aus und schrieen: „Van Gaal raus!“

„Es ist unglaublich, die Fans wollen meinen Mann nicht!“, rief Frau Opmeer, als sie ihren Sitzplatz verließ. Der niederländische Trainer selbst wollte nicht sagen, wie er die Regungen des Publikums empfunden habe. Tatsächlich war das Gefühlssplitting, Klatschen fürs Team, Buhen für den Trainer, nur bedingt ein persönliches Misstrauensvotum gegen van Gaal (51). Viel mehr war es der Versuch, Trainer und Team klar zu machen, was von ihrer Saison zu halten ist. Und die ist wirklich zum Klatschbuhen. Dass Barca zehn Europacuppartien in Folge gewann, was in der Geschichte der Champions League nur dem AC Mailand 1992/93 gelang, ist nicht mehr als Schminke auf einer Narbe. In der spanischen Liga liegt der Verein nur auf Rang zehn, fünf von sieben Auswärtsspielen wurden verloren, die Spitzengruppe ist außer Sicht.

Als Champions-League-Gewinner 1995 mit Ajax Amsterdam erlangte van Gaal zu Recht die Reputation eines der besten Strategen im Profifußball. Wie systematisch, erfolgreich und gleichzeitig schön Ajax spielte, ist bis heute unerreicht. In einer ersten Etappe in Barcelona, von 1997 bis 2000, verfestigte van Gaal als zweimaliger spanischer Meister sein Image, und noch immer verschiebt er die Akteure wie Schachfiguren, der spanische Nationalspieler Gaizka Mendieta etwa begann gegen Newcastle auf der Ersatzbank, kam als linker Verteidiger ins Spiel und beendete es im rechten Mittelfeld. Allein, van Gaals Manöver wirken häufig nur noch theoretisch. Van Gaal übersieht, dass sein Team erst einmal wieder die Grundstufe der Taktik beherrschen muss. Irgendwo zwischen seinen ständigen Schachzügen ist die Klarheit und Natürlichkeit im Spiel verloren gegangen. „Ich bin alleine da vorne“, klagte Stürmer Patrick Kluivert, „und der Ball ist immer anderswo.“

Für eine Nacht nun war die gute, alte Zeit zurück, spielte Barcelona gegen Newcastle wie Ajax Amsterdam zu van Gaals besten Zeiten. Marc Overmars flog den linken Flügel hinunter. Aus dem Mittelfeld schlug Román Riquelme visionäre Pässe, Dani García, Thiago Motta und endlich auch wieder Kluivert schossen die Tore. Hoffnung, dass dies der Durchbruch war, kam keine auf. Die Gefahr ist groß, dass am Ende der Saison ein großer Ärger stehen wird – so sehr die für ihren Mann kämpfende Truus auch darauf hinweist: „Louis tut was! Die Frauen der Spieler haben sich beschwert, dass es in der Halbzeit für sie keinen Kaffee gab, und er hat das geregelt.“

RONALD RENG