Lange Schlangen auf den Bahnhöfen

Am Sonntag tritt das neue Tarifsystem der Deutschen Bahn AG in Kraft. Für viele Berliner sind aber noch eine Reihe von Fragen offen, und sie decken sich vorsorglich mit der alten Bahncard ein. Aber auch die neue geht schon gut weg

Die Schlange reicht bis zum Geschenkartikelladen in der Eingangshalle. Ungefähr 60 Menschen warten an den Schaltern des Reisezentrums der Bahn am Ostbahnhof. „Wenn das Fahrkartenverkaufen so kompliziert ist, dass jeder Kunde mindestens fünf Minuten braucht, um sein Ticket zu holen, spricht das schon gegen das neue Preissystem.“ Armin König ist verärgert. Seit einer halben Stunde wartet er, trotzdem stehen noch zehn Leute vor ihm. Dabei will er lediglich eine Verbindung nach Düsseldorf. „Mit den neuen Tarifen habe ich mich noch nicht beschäftigt. Das ist mir auch zu mühsam. Es soll einfach nur funktionieren und schnell gehen, und das tut es hier nicht.“

Am Sonntag tritt das neue Fahrplan- und Preissystem der Bahn in Kraft. Verunsicherte Kunden stürmen die Reisezentren an den Bahnhöfen: Plan& Spar40, Plan&Spar25, Plan& Spar10 – wie funktionieren die neuen Rabattregelungen? Wann muss ich buchen? Wie viele Prozente gibt es? Was kostet eine Stornierung? Und vor allem: Was ist besser – die alte oder die neue Bahncard?

„Wer vorwiegend allein reist und spontan bucht, sollte auf jeden Fall die Chance nutzen und noch einmal die alte Bahncard kaufen“, rät Joachim Kemnitz, Sprecher des Fahrgastverbandes PRO Bahn. Alleinreisende und Spontanbucher seien die großen Verlierer des neuen Preissystems. Wer als Begleitung reist, kann sparen: zwei bis fünf Mitreisende brauchen nur die Hälfte des Preises zu zahlen, den die erste Person für ihre Fahrkarte ausgegeben hat. Wer sieben Tage im Voraus bucht, kann 40 Prozent Rabatt bekommen, wer mindestens drei Tage vorher sein Ticket holt, 25 Prozent. Das gilt aber nur bei Hin- und Rückfahrt und vor allem: lediglich solange der Vorrat reicht. Die Rabatte sind immer an einen bestimmten Zug gebunden, und es gibt nur ein begrenztes Kontingent. Wenn das aufgebraucht ist, muss nach einem neuen Tarif gesucht werden. Mit der neuen Bahncard gibt es außerdem lediglich 25 Prozent Preisnachlass auf alle Verbindungen.

„Die neuen Rabatte wahrzunehmen ist oft aufwändiger und im Endeffekt nicht billiger als der Tarif mit der alten Bahncard“, sagt der Bahnkenner Joachim Kemnitz. „Den Stress sollte man sich sparen.“

Das findet auch Lorin Arz. Seine Bahncard gilt zwar noch bis Februar, trotzdem steht er schon für eine Verlängerung an. „Ich fahre oft weite Strecken, kann aber meist nicht im Voraus buchen. Für mich macht die alte Bahncard einfach viel mehr Sinn.“

Er ist nicht der Einzige, der kurz vor der Tarifänderung noch einmal nach dem Alten verlangt. „Ich habe heute in meiner Achtstundenschicht zehn alte Bahncards verkauft“, sagt Heike Schulz, Bahnangestellte. „Das sind doppelt so viele wie in anderen Jahren um diese Zeit.“ Obwohl sie teilweise noch ein Vierteljahr gültig seien, erneuerten viele ihre alte Bahncard. Aber auch die neuen Bahncards gehen gut, sagt Schulz. Fünfzehn hat sie heute davon verkauft. „Die Leute wägen jetzt eben ab, was für sie im Endeffekt günstiger ist. Das ist individuell verschieden.“ Auf jeden Fall habe der Andrang im Reisezentrum – egal ob wegen Bahncards, Nachfragen zu den neuen Tarifen oder Rabattjägern – in den letzten Tagen enorm zugenommen.

Katrin Morgenroth ist immer mit dem Guten-Abend-Ticket gefahren. Das gibt es für die Studentin ab Sonntag nicht mehr. Auch keine Studentenermäßigungen. Die neuen Rabatte gelten nur bei Hin- und Rückfahrt. Weil sie oft nur eine einfache Fahrt bucht, muss sie dann den vollen Preis bezahlen. „Ich werde demnächst aufs Flugzeug umsteigen. Das ist billiger, schneller und unkomplizierter.“

BIANCA KOPSCH