Die Karibikinsel der Windmühlen

Nahe bei Venezuela liegt die Insel Aruba. Ein Paradies, was sonst, und ein bisschen Niederlande und USA. Außer aufTourismus verlegt sich Aruba mit seinen vielen Casinos auch auf die äußerst lukrative Geldwäsche. Eine Inseltour

Shopping Malls und Spielhallen pachten die koloniale Architektur

von ANJA MARTIN

„Aruba, Jamaica, oooh I wanna take you Bermuda, Bahama come on pretty mama …“ Warum haben die Beach Boys gerade Aruba den ersten Platz eingeräumt in diesem Nummer-eins-Sommerhit? Hat die Insel das verdient? Wie sollte sie es aufnehmen können mit dem Easy-Going-Flair einer Reggae-Insel oder dem Teatime-Charme der Bermudas? Vielleicht hat der Songschreiber sie schlicht mit Antigua verwechselt, die in allen Katalogen präsent ist und bekannt durch ihre PR-Lüge mit den 365 Stränden.

Im Kleinbus lassen wir die Hotelzone hinter uns. Jerry möchte uns unbedingt seine Insel zeigen. Also alles, was hinter der Bettenmeile liegt, die die breiten, weißen Traumstrände begrenzt. Bis zu 20-stöckige Bauten, meist belegt von Pauschalurlaubern. Individual gebucht zahlt man schnell über 250 Euro pro Nacht.

Venezolaner vom 30 Kilometer entfernten Festland kommen für ein Wochenende, US-Amerikaner reisen in Chartermaschinen meist für eine Woche an, die wenigen Europäer bleiben in der Regel 14 Tage.

Für sie gibt es noch immer keine Direktflüge, nachdem Condor’s die Destination nach einem kurzen Versuch flugs wieder abgesetzt hat. Und alle kommen wegen der fast 365 Tagen Sonne, einem Sand, der so fein ist, dass er nicht mehr kratzt beim Barfußgehen, und der gleich bleibenden Temperatur – egal ob Sommer oder Winter, Tag oder Nacht, Luft oder Wasser, sie liegt zwischen 26 und 28 Grad.

Wir belassen es heute bei einem morgendlichen Bad und stürzen uns Jerry zuliebe ins Hinterland, das es ja immer und überall in sich haben soll: unverfälscht, verträumt, gastfreundlich. Bereits am Ende der Hotelkordillere kreuzen Ausflugsgruppen zu Pferd – alles brave Kettenreiter. An der Nordspitze der Insel treffen wir auf die ersten Jeepkonvois. Bis zu zehn Wagen pro Tour, gebucht übers Hotel als Tagesausflug, die Lunchbox inklusive. Die Routen verlaufen durchweg auf der Straße. Geländewagen bräuchte es dafür sicher keine, doch Insel-Erkunden will zelebriert sein.

Leicht kann man sich in Kolonialherren hineinversetzen, die die Insel immer als Belastung sahen. Nichts wuchs hier außer ein bisschen Maniok und Mais. Im Verwaltungs-Niederländisch hießen die ABC-Inseln eine Zeit lang sogar „unnütze Inseln“. Es gab weder Bodenschätze noch fruchtbare Böden. Die Bewohner wurden schnell verschifft und versklavt,und der Brasilholzbaum, aus dem man in Europa Farbe gewonnen hatte, war bald abgeholzt. Aruba war nur als Weidegrund für Ziegen und Pferde nützlich. Später als Bausandlieferant für die Nachbarinseln. So heißt das gesamte Hinterland heute Kunuku, der aruakische Ausdruck für brach liegendes Land.

Die Abenteuerfraktion vor uns parkt ihre Pferdestärken am Straßenrand, Jerry bereitet uns hinter der sicheren Windschutzscheibe auf ein Spektakel vor. „Jedes Jahr haben Pfadfinder Sommercamps auf der Insel. Einmal setzten sie auf einer Schnitzeljagd flache Steine zu Türmchen als Wegweiser. Irgendwann wollten Amerikaner auf Inseltour wissen, was es mit den geheimnisvollen Formationen auf sich hat. Da Guides nie um eine Geschichte verlegen sein dürfen, erfanden sie schnell einen Brauch: Demnach kommen die Arubaner vor jedem Casinobesuch auf diese Seite der Insel, wagen sich ins wilde Gewässer und setzen danach ein Steintürmchen auf, damit die Kugel später ins richtige Fach rollt.“ Wahr daran ist, dass tatsächlich noch viele Einheimische an Geister glauben, ihre Häuser mit Piktogrammen gegen den bösen Blick bemalen und am Neujahrstag ein Glücksbad im Meer nehmen.

Die Suzuki-Passagiere schwärmen jetzt aus und suchen Steine. Jerry setzt noch eins drauf. Er steigt aus und ruft zwei jungen Frauen zu: „Die Steine auf der anderen Straßenseite bringen noch mehr Glück.“ Die Glücksuchenden sammeln nun tatsächlich rechts der Fahrbahn.

Jerry hat mit den Touristen aus den Staaten schon viel erlebt. Als Hotelbesitzer wurde Jerry von einem Gast verklagt: Die Dame war am Pool gefallen und hatte sich am mitgetragenen Trinkglas geschnitten. Eine kleine Wunde nur, aber ein Streitwert von 30.000 Dollar. Nicht dass es auf dem Gelände Stolperfallen gegeben hätte. „Ich habe denen vor Gericht gesagt, dass ich nicht alle fünf Meter eine Warntafel aufstellen kann. Schließlich ist das ein Hotel und nicht die Lagerhalle eines Schilderverleihs. Gewünscht hätten sie sich so was wie ‚Bitte keine Getränke aus den Zimmern an den Pool nehmen‘. Soll ich den Leuten auf den Kopf zusagen, dass sie zu geizig sind für Drinks von der Bar?“

Zeitweise hat man die Küste ganz für sich allein. Das Gros der Urlauber zieht den Liegestuhl vor. Oder die Plätze am Rouletttisch – denn außer auf Tourismus verlegt sich Aruba mit seinen vielen Casinos auch auf die äußerst lukrative Geldwäsche. Neben Hotels und Casinos findet man tatsächlich Windmühlen auf der Insel. Ein Relikt aus der Kolonialzeit. Die Hauptstadt Oranjestad – ein Amsterdam mit pastellfarbener Zuckerglasur. Satteldächer mit orangefarbenen Ziegeln, Hals-, Glocken- und Trichtergiebel, verziert mit Voluten und Brüstungen. Alles ein bisschen zu clean, zu glatt und perfekt. Ein karibisches Disneyland. Außen Niederlande, innen USA: Shopping Malls und Spielhallen, Wendy’s und Taco Bell pachten die koloniale Windmühlenarchitektur.

Im Straßencafé in Oranjestad, wo man sich auf einen Fruitpunch trifft und eisdielenmäßig den Jungs mit den richtigen Autos hinterherschaut, fragen wir nach den ultimativen Kopfverdrehern. „Auf jeden Fall Jeeps, aber bloß keine Suzukis. Cherokee muss schon sein, um ein Mädchen in den Wagen zu kriegen.“

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