Fischige Marathonverhandlung

EU-Minister zwischen heftigen Fischerprotesten und dem Zwang, wenigstens die kläglichen Reste der EU-Meeresschwärme zu schützen. Subventionen zur Modernisierung der Fangflotte sollen in Abwrackprämien umgeleitet werden. Künast droht

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Als wütende Fischer vergangenen Mittwoch vom Ärmelkanal aus mit einer Rakete das Meeresmuseum „Nausicaa“ in Boulogne-sur-Mer in Brand setzten, blieb offen, wem die Attacke eigentlich galt. Die Meere sind leer gefischt. 66.000 Arbeitsplätze sind zwischen 1990 und 1998 bereits weggefallen. Machen alle so weiter wie bisher, wird in ein paar Jahren niemand mehr mit Fischfang seinen Lebensunterhalt verdienen können. Und viele Fischarten kann man dann tatsächlich nur noch im Museum bewundern.

Deshalb hatte der zuständige EU-Kommissar Franz Fischler bereits Ende Mai ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das erheblich reduzierte Fangquoten fordert, eine kleinere Flotte und Umschulungsmaßnahmen für Fischer vorsieht. Spanien hatte zu verhindern versucht, dass der Vorschlag von der Kommission überhaupt verabschiedet wird. Doch auch andere Länder, in denen die Fischereilobby eine starke Stellung hat wie Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Irland wehren sich gegen die Reform.

Da im Rat eine qualifizierte Mehrheit für das Paket gebraucht wird, wurde die Entscheidung immer wieder verschoben. Seit gestern beraten die Minister in einer Marathonsitzung, um am Donnerstag endlich zu einem Kompromiss zu kommen. Das wäre buchstäblich der allerletzte Augenblick, denn Ende des Jahres laufen die derzeit geltenden Fangquoten aus.

Die Zahlen sind alarmierend. Der Kabeljau-Bestand in der Nordsee ist innerhalb von 20 Jahren um 85 Prozent zurückgegangen. Deshalb hat die Kommission letzte Woche auf Empfehlung eines Expertenkomitees vorgeschlagen, die Quoten für Kabeljau, Wittling (ein wichtiger Industriefisch zur Fischmehlproduktion) und Schellfisch um 80 Prozent zu kürzen.

Quoten sind allerdings extrem betrugsanfällig, und bedrohte Arten landen weiter als Beifang im Netz, solange die Fischgründe nicht völlig gesperrt sind. Deshalb zielen Fischlers Vorschläge vom Mai darauf, das System grundlegend zu ändern – hin zu einer nachhaltigeren Fischereipolitik. Ein Teil der Subventionen, die ursprünglich eingeplant waren, um die Flotte zu modernisieren, sollen stattdessen als Abwrackprämie gezahlt werden. Nach Meinung von Experten müssen die Fangkapazitäten drastisch reduziert werden – je nach Region und Fischart zwischen 30 und 60 Prozent. Deshalb sollen 8.600 Schiffe verschrottet werden, 460 Millionen Euro in Umschulungsmaßnahmen fließen.

Sollten Frankreich und Spanien nicht einlenken, will die deutsche Ministerin Renate Künast die Gelder für die Modernisierung der Flotte blockieren. Diese Subventionen müssen nämlich für das kommende Jahr neu genehmigt werden.