Umständehalber abzugeben

Bei n-tv laufen die „umfangreichsten Restrukturierungen in der Geschichte des Senders“. Der Nachrichtenkanal ist in der RTL-Familie angekommen, will Gewinn machen und muss Mitarbeiter entlassen. Wer übrig bleibt, kann einen Jaguar leasen

von HEIKO DILK

Ach, wer träumte nicht davon: von einem flotten Jaguar „Executive“ mit allen Schikanen. „Mistral Metallic“ ist das Geschoss und kommt inklusive Kühlerfigur, Einparkhilfe, Premium-Klangsystem und vollwertigem Ersatzrad. Schick. Und genau dieses Traumauto offerierte die Verwaltung des krisengebautelten Nachrichtensenders n-tv jüngst per Rundmail den „lieben Kolleginnen und Kollegen“. Von denen werden zum Januar 2003 zwar ein ganzer Schwung entlassen, von den Glücklichen, die bleiben dürfen, „kann ein Leasingvertrag für einen Jaguar S-Type übernommen werden“.

Immerhin: nett gemeint. Doch bei insgesamt 70 Kündigungen scheint es unwahrscheinlich, dass sich da im Moment allzu viele Interessenten finden. Trotz Sitzheizung, aber eben auch mit einer monatlichen Leasingrate von 887 Euro.

Einer, der sich das leisten könnte, sitzt im n-tv-Hauptquartier Taubenstraße in Berlin-Mitte in einem Eckbüro im 2. Stock. Wo es allerdings gerade sehr nach Arbeit aussieht, weniger nach Wurzelholz.

Synergiesuche

Gerade hatte n-tv-Geschäftsführer Helmut Brandstätter ein Gespräch mit dem Chef des Sportmarketings von RTL über die Weiterverwertung des Skispringens. Denn nachdem das Bundeskartellamt eben die RTL-Übernahme von 47,3 Prozent an n-tv genehmigt hat, ist der Nachrichtensender in der RTL-Familie angekommen „Aber bis jetzt läuft es darauf hinaus, dass wir darüber reden, wo können wir Synergien haben, wo können wir sparen oder mehr Programm bekommen“, so Brandstätter über die derzeitige Zusammenarbeit.

Eigentlich ein schönes Geschenk zum 10. Geburtstag, wäre da nicht die Krise. Schon im Jahr 2001 hat n-tv 15 Millionen Euro Verlust gemacht. 2002 wird es noch mehr werden. Weshalb die Pressemitteilung zum Jubiläum auch eher zwiespältig ausfiel. Zwar sei „n-tv die bewährte Marke für seriöse Nachrichten und Wirtschaftsberichte“, worauf alle stolz sein könnten, die n-tv machen. Aber es stünden eben auch die „umfangreichsten Restrukturierungen in der Geschichte des Senders“ an. Schließlich soll schon 2003 eine schwarze Null in der Bilanz stehen.

Wovon der Zuschauer laut Brandstätter nichts merken soll. In der Redaktion habe es nämlich bisher kaum Kündigungen gegeben, „unter fünf“, sagt er. Dafür trifft es die Technik hart. Statt bisher sechs wird es in der Regie künftig nur noch zwei Leute geben. Die Redakteure werden einen Teil der Beiträge selbst schneiden, den Teleprompter selbst bedienen müssen. – Für Brandstätter „im Prinzip eine normale Weiterentwicklung des Fernsehens, die bei anderen genauso stattfinden wird.“

Der neue Gesellschafter RTL tat derweil gut daran, sich – zumindest offiziell – weitgehend aus dem Umbau des Senders und den „schmerzhaften Entscheidungen über die Trennung von 70 Mitarbeitern“ (n-tv-Pressetext) rauszuhalten. Ganz unschuldig am Sparkurs dürfte RTL aber kaum sein. Verlustbringer mag der Marktführer im deutschen Privat-TV nicht. Einer weiß immerhin schon, wie es nicht ausgehen soll: „Die Marke n-tv macht nur als n-tv Sinn und nicht als RTL-Bindestrich-n-tv. Das ist keine Marke, RTL-Bindestrich-n-tv ist gar nichts“, sagt n-tv-Geschäftsführer Brandstätter. Muss er ja auch.Dabei laufen schon jetzt bei n-tv Formate, die vom Titel her perfekt RTL sind: „Schön und Vital“ zum Beispiel oder die Service-Sendung „Lebensart“.

Umorientierung

Für viele Zuschauer steht n-tv weiterhin schlicht für Börse und Aktienkurse, doch auch hier wird umorientiert: „Während wir früher massiv vom Neuen Markt berichtet haben, weil das die Leute interessiert hat, machen wir jetzt eine Sondersendung zur Zinsbesteuerung oder eine Sendereihe über Unternehmerfamilien“, so Brandstätter. Was nicht nur am Interessensschwund, sondern auch am Sparzwang liegt: Eine Liveschaltung zur Nasdaq nach New York ist nun mal teurer, als einige Experten – womöglich aus dem eigenen Haus – zur Abgeltungsteuer zu befragen.

Sandra Maischberger hingegen wird wohl kaum billiger zu haben sein. Sie steht noch bis Ende 2003 unter Vertrag. N-tv muss sie sich in Zukunft allerdings mit der ARD teilen, was nach 2003 passiert, wird demnächst verhandelt. Brandstätter: „Ich gehe davon aus, dass sie auch im Jahr 2004 ihren täglichen Talk bei n-tv moderieren wird.“ Vielleicht übernimmt sie dann ja auch den Jaguar.