piwik no script img

taz-LeserInnen protestieren:Arbeitslose sind keine Schmarotzer

betr.: „Schröder schrubbt Arbeitslose“, „Unverzeihlicher Populismus“, taz vom 14. 3. 01

Die aktuellen Pläne der Bundesregierung zur Reform des Arbeitsförderungsgesetzes zielen wie ähnliche Vorhaben bei der Vorgängerkoalition in die falsche Richtung: Bekämpft werden die Arbeitslosen, aber nicht die Arbeitslosigkeit!

Sicherlich ist der Gedanke löblich, durch individuelle Planung den beruflichen Wiedereinstieg zu fördern. Die Frage ist aber, wie dies realisiert werden soll. Schon jetzt sind die Arbeitsämter personell völlig unterbesetzt und können keine maßgeschneiderte Betreuung garantieren. Zwischen 500 und 800 Arbeitssuchende kommen auf einen Vermittler, da bleibt im Schnitt nur eine knappe Viertelstunde pro Person und Monat – von Betreuung kann keine Rede sein, höchstens von Kontaktpflege. Dennoch arbeiten die Fachkräfte in den Arbeitsämtern professionell: Über 80 Prozent der sieben Millionen Menschen, die sich im letzten Jahr arbeitslos meldeten, hatten innerhalb eines Jahres einen neuen Job – auch ohne spezielles Eingliederungsprofil. Dies zeigt: Mehr Papier schafft nicht mehr Arbeit – es sei denn bei den Arbeitsämtern.

Die geplante Regelung erweckt zudem den Eindruck, dass die Mehrzahl der Erwerbslosen arbeitsunwillig sei, denen mit schärferen Sanktionen begegnet werden müsse. Doch die Verweigerer sind die absolute Minderheit, dies belegen schon die wenigen offenen Stellen bei vier Millionen Arbeitslosen. In Wahrheit fehlt es an Arbeitsplätzen, und daran ändert sich nichts, wenn der Druck auf die Arbeitssuchenden erhöht wird. [...] Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass Bezieher von Arbeitslosenunterstützung hierauf ein Anrecht haben. Sie haben zuvor – oft Jahrzehnte – auf erhebliche Teile ihres Lohnes verzichten müssen und sich berechtigte Ansprüche erworben. Von Regierung, Opposition und Wirtschaft wird so getan, als ob Arbeitslose Steuergelder verprassen. Wer aber schon mal arbeitslos war, weiß, wie deprimierend der Gang zum Arbeitsamt ist. Obwohl es sich um aufrichtig erworbene Leistungsansprüche handelt, werden die Betroffenen gesellschaftlich und zum Teil von den Mitarbeitern in der Arbeitsverwaltung als schamlose Schmarotzer behandelt. [...]

PETER WOLTERS, Peine

[...] Es wäre gut, wenn den Menschen auf den Arbeitsämtern geholfen würde, damit sie ihre individuellen Fähigkeiten zur Geltung bringen könnten. [...] Das Wort Beruf kommt von Berufung! Dies bedeutet, dass ein Mensch, der einen Beruf erlernt hat, sich innerlich berufen fühlen soll, darin seine Fähigkeiten voll einzubringen. Die Menschen nach ihren Stärken definieren und nicht nach ihren Schwächen, das wäre eine gesellschaftliche Aufgabe. [...] Arbeitslosigkeit gehört an der Wurzel bekämpft und nicht die Arbeitslosen. Das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung tut aber genau dieses nicht, und dagegen sprechen wir uns entschieden aus! BETTINA FENZEL, WIELAND VON HODENBERG, Bremen

betr.: „CDU/FDP: Bekämpft Arbeitslose!“, taz vom 15. 3. 01

Typisch CDU, wenn es darum geht, Steuergelder in den Sand zu setzen. Mit solchen Hirngespinsten wie der Einführung einer so genannten Arbeitslosenpolizei wird doch nur versucht, dem Steuerzahler das Geld aus der Tasche zu ziehen, anstatt ernsthaft darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoller wäre, Arbeitswillige zu fördern, indem man ihnen Hilfe zur Selbsthilfe anbietet.

Ich zum Beispiel bin derzeit inhaftiert und versuche verzweifelt, nach meiner Entlassung auf eigenen Beinen zu stehen und nicht auf Kosten der Ämter leben zu müssen. Ich habe eine abgeschlossene Berufsausbildung und würde gerne, um den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu schaffen, einen 15-monatigen Berufsfortbildungskurs absolvieren, der zirka 3.000 Mark kostet, aber durch fadenscheinige Ausreden des Arbeitsamtes nicht finanziert wird. Es muss aufgrund einer Statistik davon ausgegangen werden, dass Inhaftierte nach ihrer Entlassung sowieso kein Interesse zum Arbeiten haben. Wörtliche Auskunft eines bayerischen Arbeitsamtsangestellten in einem persönlichen Gespräch. [...]

TOM BAUR, Amberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen