Arbeit im havarierten AKW: Rentner für Fukushima
Kamikaze-Kommando? Zur Bekämpfung der Atomkatastrophe in Japan hat sich ein "Qualifizierter Veteranen-Corps" zum Freiwilligendienst gemeldet.
BERLIN taz | "Wir sollten die Arbeit nicht nur den jungen Ingenieuren überlassen", sagt Yasuteru Yamada der Nachrichtenagenur afp. Der 72-jährige Japaner will gemeinsam mit 180 anderen Rentnern dabei helfen, die Lage im Atomkraftwerk Daiichi in Fukushima zu stabilisieren.
"Qualifizierter Veteranen-Corps" nennt sich die Gruppe, der viele ehemalige AKW-Mitarbeiter angehören. Yamada etwa baute vor seiner Pensionierung als Ingenieur Anlagen, hat Metallurgie studiert. Alle Mitglieder seines Veteranen-Vereins sind über sechzig Jahre alt – und alle sind bereit, ihre Arbeitskraft auf dem hochverstrahlten Gelände des Atomkraftwerkes zur Verfügung zu stellen.
Nach dem Unfall im AKW Fukushima habe er mit Bekannten darüber diskutiert, wie man helfen könne, das Unglück einzudämmen, sagte Yamada tagesschau.de. Dafür sei ein funktionierendes Kühlsystem unerlässlich – das aber könnten nur Menschen aufbauen. "Warum also nicht wir, die wir kein so langes Leben mehr vor uns haben?" Im April begann Yamada, E-Mails und Briefe an ehemalige Kollegen zu schreiben und sie von seinem Vorhaben zu überzeugen.
Ein Kamikaze-Kommando alter, unerschrockener Veteranen? Seien sie nicht, sagt Yamada dem britischen Fernsehsender BBC. "Wir wollen zurückkommen." Man wolle sehr vorsichtig vorgehen und sich an alle notwendigen Maßnahmen halten, um die Gefahren vor Ort zu minimieren.
Musiker könnten für Unterhaltung sorgen
Außerdem, so Yamada, betrage seine durchschnittliche Lebenserwartung noch vierzehn oder fünfzehn Jahre. Eine Krebserkrankung würde bei jemandem in seinem Alter aber frühestens in zwanzig Jahren ausbrechen. "Junge Leute, besonders die, die Kinder haben werden, sollten der Strahlung nicht ausgesetzt werden", sagte er der afp. Bei Menschen in ihrem Alter seien die Schäden, die radioaktive Strahlungen anrichten, hingegen gering.
"Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass keine negativen Hinterlassenschaften für zukünftige Generationen zurückbleiben", sagte Yamada gegenüber der Fakultät für Nuklearingenieure der Universität Berkley. Er habe selbst Erfahrung mit Abfallentsorgung und Kraftwerksbau. Andere Mitglieder seiner Freiwilligengruppe seien Ingenieure, Designer – aber auch Musiker, die auf dem Gelände für Unterhaltung sorgen könnten, sagte Yamada der BBC.
Der Kraftwerksbetreiber Tepco hat bislang noch nicht öffentlich auf das Angebot von Yamada und seinen Mitstreitern reagiert. Eine politische Reaktion gab es hingegen schon. Man sei sehr dankbar für das Angebot, sagte Goshi Hosono, ein Sonderberater von Ministerpräsident Naoto Kan japanischen Lokalmedien. "Aber unser Prinzip ist, dass wir uns an die Abläufe halten, die solche Suizid-Kommandos nicht erfordern." MLA
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