: Arafats Polizei marschiert in Hebron auf
Israelisch-palästinensisches Verbindungskomitee verständigt sich. Macht Benjamin Netanjahu Zusagen für palästinensische Bauprojekte im Westjordanland und im Gaza-Streifen? ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen
Zum erstenmal seit fast einem Monat sind gestern in Hebron 200 palästinensische Polizisten aufgezogen, um weitere Auseinandersetzungen zu verhindern. Nach Angaben des israelischen Rundfunks hatte sich das palästinensisch-israelische Verbindungskomitee in der Nacht zum Montag auf diesen Schritt verständigt. Währenddessen waren noch in der Nacht in Nablus, Bethlehem und Hebron rund 20 Brandsätze und Rohrbomben auf israelische Militärfahrzeuge geworfen worden. Verletzt wurde dabei niemand. Vor der Übereinkunft hatte die israelische Armee Betonbarrieren zwischen der israelisch kontrollierten Zone und dem autonomen Hebron errichtet. In dem sogenannten Sektor H1 leben rund 400 Siedler und etwa 20.000 Palästinenser, im autonomen Sektor H2 rund 100.000 Palästinenser. Nach israelischen Angaben wurden in den dreiwöchigen Auseinandersetzungen 270 Palästinenser und 20 Soldaten verletzt.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte den Palästinensern nach einer Kabinettssitzung am Sonntag gedroht, sie würden einen hohen Preis zahlen, wenn sie die Gewalttätigkeiten nicht beendeten. Netanjahu warf der palästinensischen Autonomieregierung vor, die Vereinbarungen über den israelischen Teilabzug aus Hebron nicht eingehalten zu haben und die Gewalt zu schüren, um die israelische Regierung unter Druck zu setzen. Marwan Barghuti, der Vorsitzende von al-Fatah im Westjordanland, der größten PLO-Organisation, dementierte gestern allerdings israelische Meldungen, wonach jeder Steinewerfer 30 bis 40 Shekel (15 bis 20 Mark) für seinen Einsatz erhalten habe.
Die Vereinigung der Auslandspresse in Israel hat der Armee unterdessen vorgeworfen, gezielt Stahlkugeln auf palästinensische Fotografen und Kameraleute abgefeuert zu haben, die für ausländische Sender arbeiten. Mindestens vier von ihnen seien dabei verletzt worden. Die Armee behauptet, die Journalisten seien getroffen worden, als die Armee steinewerfende Jugendliche zurückdrängen wollte. Auf den Filmaufnahmen sei jedoch erkennbar, daß die Journalisten sich nicht in der Nähe der Steinewerfer befanden, als sie getroffen wurden, sagte der Vorsitzende der Auslandspresse in Israel, Nick Tatro.
Der Einsatz der palästinensischen Polizei in Hebron steht möglicherweise in enger Verbindung zu den Verhandlungen über den Bau einer Verbindungsstraße für Palästinenser zwischen dem Gaza- Streifen und dem Westjordanland, dem Bau eines Flughafens bei Dahanijeh im Gaza-Streifen und dem Bau eines Seehafens. Obwohl bereits im sogenannten Oslo-II-Abkommen vom 28. September 1994 vereinbart, wurden diese drei Vorhaben bislang nicht in die Tat umgesetzt. Strittig ist vor allem die Frage, wer die Sicherheitskontrollen am Flughafen ausübt und die Ein- und Ausfuhr von Waren im Hafen kontrolliert. Nach Meldungen des israelischen Rundfunks wird Israels Außenminister David Levy in Kürze mit dem Chefunterhändler der Palästinenser, Nabil Schaath, zusammentreffen. Israel will angeblich zahlreiche elektronische Bauelemente freigeben, die bislang im Hafen von Ashdod zurückgehalten wurden, weil sie nach Armeeangaben auch militärisch genutzt werden könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen