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Arafat ist der Star, und Zia kennt keiner

■ Das Blockfreientreffen in Harare zwischen frustrierter Reflexion und Selbstdarstellung / Die Mediencrew entscheidet, welche Politiker „in“ und welcher Staatschef „out“ ist / Sanktionen gegen Südafrika beschlossen us Harare Christoph Fleischer und Jutta von Hofe

„Wann kommt Ghaddafi?“ Diese Frage scheint am dritten Tag des Blockfreientreffens in Harare das Geschehen zu bestimmen. Während Staatschefs und Außenminister hinter verschlossenen Türen - aber auf Monitoren sichtbar - über Sanktionen und Schuldenkrise debattieren, bahnt sich die Sensation des Tages an: Ein markiger Spruch des libyschen Staatschefs. Wollte er wirklich die Konferenz vorzeitig verlassen? Das wäre wirklich eine „News“. Die Reporter werden von ihren Redakteuren zu Hause bedrängt. „Wir waren gerade bei Oliver Tambo“, sagte eine bundesdeutsche Medienfrau, „aber da war der Tambo schon wieder out. Alle wollen Ghaddafi“. Was wäre eine solche Konferenz ohne ein paar Highlights. Diesmal ist es PLO–Führer Arafat. Rund fünfzig Staatschefs sitzen im Karree um den Konferenztisch. Da sind altgediente und altgeschätzte wie der sambische Präsident Kenneth Kaunda; da ist der von den USA bedrohte nicaraguanische Regierungschef Daniel Ortega und der etwas aus der Mode geratene Fidel Castro. Doch das Rennen bei den Fotografen macht allein Yassir Arafat. Einige klettern fast über seinen Tisch zu ihm herüber, zertreten in zuckenden Blitzlichtern den liebevoll hergerichteten Blumenschmuck, während Yassir gelassen mit dem völlig unbeachteten Zia ul–Haq aus Pakistan plauscht und dabei ab und zu sein Palästinensertuch zurechtzupft. Beim Aufstehen vergißt er nicht, sich noch einmal seiner Pistole zu vergewissern. Im Pressezentrum werden Gerüchte gehandelt. Als sicher gilt inzwischen, daß die Blockfreien sich zu folgenden Sanktionen gegenüber Südafrika entschlossen haben: ein Verbot von Ölexporten an den Apartheidstaat und der Abbruch der Zusammenarbeit mit der Ölindustrie der Buren–Republik, ein Importverbot von landwirtschaftlichen Produkten und ein Lieferstopp für Kohle, Uran und Stahl. Fluggesellschaften, die weiterhin Südafrika anfliegen, sollen die Überflugrechte entzogen werden. Dazu kommt der Abbruch aller wissenschaftlichen, kulturellen und sportlichen Beziehungen. Die Blockfreien–Bewegung will die Verteidigungshilfe für die Frontstaaten ausbauen. Konkret ist an einen Solidaritätsfonds im südlichen Afrika gedacht, der die Auswirkungen südafrikanischer Gegenmaßnahmen mildern soll. Die konsequente Haltung gegenüber dem Botha–Regime wird einigen Ländern, die jetzt in Harare vertreten sind, wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Südafrika große Opfer abverlangen. Daß er dazu bereit ist, hat Robert Mugabe auf der Konferenz deutlich gesagt. Nach einer Diskussion über den Stopp der diesjährigen Entwicklungshilfe für sein Land sagte er: „Jedem ist freigestellt, ob er uns hilft oder nicht. Wir lassen uns nicht einschüchtern.“ Deutsche Verfassung für Namibia Pressekonferenz von SWAPO– Chef Sam Nujoma. Die Regierungschefs haben, so Nujoma, ihre Solidarität mit der Befreiungsbewegung des namibischen Volkes ausgedrückt. Einige Länder hätten konkret Militär– und Materialhilfe angeboten. Namibia kämpft seit zwanzig Jahren gegen seine Unterdrücker aus Südafrika. Ein Kampf gegen einen übermächtigen Feind allerdings - Südafrika läßt es sich am Tag allein vier Millionen Rand kosten, Namibia unter seiner Knute zu halten. Nujoma spricht auch die peinliche Zusammenarbeit des bundesdeutschen Verfassungsrichters Walter Zeidler (SPD) mit der von Südafrika abhänigigen Übergangsregierung an. Sein Kommentar: „Wir haben nicht solange für die Befreiung Namibias gekämpft, um nun eine westdeutsche Kolonie zu werden.“ Draußen verteilen die Iraner Flugblätter: „Die chemischen Waffen des Irak.“ Am Büro ihrer Nachrichtenagentur IRNA wird täglich die Kriegsberichterstattung ausgehängt.“Laßt uns auch auf unsere eigenen Reihen schauen“, sagt der indische Premier Gandhi dazu. „Nichts ist so traurig wie der tragische sechs Jahre alte Konflikt zwischen zweien unserer Mitglieder“. Gandhi kritisiert auch, daß im Hinblick auf die wirtschaftliche Süd–Süd–Kooperation zu wenig geschehen sei. Die Entwicklung habe einmal als eine Aufgabe der Menschheit gegolten. Heute gebe es zweiseitige Programme anstelle von Internationaler Zusammenarbeit. Die Bewegung hält es an ihrem 25. Geburtstag beileibe nicht nur Sonntagsreden. Neben schweren Vorwürfen an die Industrieländer, die die Dritte Welt an ihren Schulden fast zugrunde gehen lasse, wagt der ugandische Regierungschef Yoweri Museveni auch harte Kritik an den Entwicklungsländern wegen ihrer übermäßigen Kreditaufnahme. „Warum sollen wir Kredite aufnehmen, um Col gate, Parfums, Videos und nutzlose Maschinen zu kaufen?“, fragt er. Schulden sollten nur für die Produktion von Gütern gemacht werden, nicht für den Konsum. „Wenn ein Kredit gut ist, dann wird er sich quasi von selbst bezahlen.“ Ein frommer Wunsch allerdings angesichts der vielen in den Sand gesetzten Entwicklungsprojekte und der von den Industrieländern nicht zuletzt im Eigeninteresse gesteuerten Investitionen. 18.30 Uhr. Im Pressezentrum wird es ruhiger. Auf den Monitoren sind weiter die Köpfe von Politikern zu sehen; doch die meisten Journalisten haben für heute ihre Arbeit getan. Nur wenige wollen noch alle Reden dieses Abends verfolgen. Die Gruppe der bundesdeutschen Journalisten löst sich auf. „Nur ich muß noch bleiben“, sagt einer, „Auftrag des Redakteurs. Wann kommt Ghaddafi“.

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