: Aquarium mit Menschen drin
Beim International German Masters im Squash fehlt von der absoluten Weltelite nur der Meister aller Meister, Jansher Khan aus Pakistan ■ Aus Nürtingen Bernd Pickert
Draußen um die Theodor-Eisenlohr-Halle in Nürtingen hat sich längst die Dunkelheit herabgesenkt, drinnen steht, inmitten der großen Schulsporthalle, der gläserne Squashkasten mit seinen grüngetönten Scheiben, die von allen Seiten Einblick gewähren. Neonhell erleuchtet, sieht das Spielfeld aus wie ein Aquarium mit Menschen drin. Und was für welche: Nahezu die gesamte Weltelite des Squash ist hier am Start.
Das Turnier ist typisch für Squash in Deutschland: hervorragender Sport, recht wenige ZuschauerInnen. Lange Gesichter gab es gleich am Anfang der Hauptrunde – ausgerechnet Jansher Khan aus Pakistan, hatte seine Teilnahme nur Stunden vor seinem geplanten Spiel abgesagt. Er fühle sich nicht fit genug, ließ sein Manager wissen. So recht glauben wollen das die meisten Zuschauer nicht, und auch seine Spielerkollegen aus der Professional Squash Association, der Profispielervereinigung der Herren, vermuten, der siebenfache Weltmeister habe einfach keine Lust gehabt. Die Weltranglisten-Punkte, die in Nürtingen zu vergeben sind, brauchen Khan kaum zu interessieren. Er führt die Weltrangliste mit fast doppelt so vielen Punkten an wie der Zweitplazierte, der Australier Rodney Eyles.
Und vielleicht hat Khan auch von den Schwierigkeiten der Veranstalter gehört, das angekündigte Preisgeld von insgesamt 100.000 Dollar fürs Herren- und Damenfeld zusammenzubekommen – tatsächlich war noch eine halbe Stunde vor Beginn der Hauptrunde nicht klar, ob das ganze Turnier überhaupt stattfinden könne. Erst in letzter Minute trieben die Organisatoren das Geld auf.
Und ums Geld geht es. Wer in der Lage ist, 60.000 bis 100.000 Dollar Preisgeld aufzutreiben, kann mit der Teilnahme der gesamten Weltelite im Squash rechnen. Richtig viele Zuschauer kommen deshalb aber noch längst nicht. Zwar spielen nach Angaben des Deutschen Squash-Verbandes rund zwei Millionen Menschen mehr oder weniger regelmäßig Squash in einer der über 1.000 Anlagen, aber nur 25.000 sind in Vereinen organisiert. Ganze sechs Vereine bilden die erste Bundesliga, und viel mehr als den eigenen Freundeskreis vermag offensichtlich auch der HSC Nürtingen, derzeit Nummer 1 in Deutschland, nicht als Publikum zu mobilisieren. Die Squashfamilie bleibt unter sich, und neben der taz versuchen nur noch der SDR-Hörfunk und ein junger Reporter der Stuttgarter Nachrichten etwas über das Spielgeschehen herauszufinden.
Jeder Spieler hat zwei Gegner: seinen Mitspieler und den Schiedsrichter. Denn letzterer hat beim Squash eine viel wichtigere Funktion als etwa beim Tennis. Beide Spieler stehen im gleichen Feld, müssen den Ball an dieselbe Stirnwand schlagen. Wer einmal in einem Squashcourt gestanden und ein paar Bälle gespielt hat, weiß, daß mit dem Schläger nicht nur der Ball getroffen werden kann, sondern auch die Wand – und der Mitspieler. Zudem paßt der 24 Gramm schwere Gummiball mit seinen 40 Millimeter Durchmesser ziemlich exakt in eine Augenhöhle – was bei einer Geschwindigkeit von bis zu 200 Stundenkilometer besser vermieden werden sollte. Deshalb gibt es die sogenannte „Let“-Regel: Ist ein Spieler durch den Gegner in seinem Weg zum Ball gestört worden oder kann den Ball nicht schlagen, ohne seinen Gegner in Gefahr zu bringen, bricht er den Schlag demonstrativ ab und bittet den Schiedsrichter um ein „Let“, eine Wiederholung. Ist er bei einem voraussichtlich gewinnbringenden Schlag behindert worden, muß der Schiedsrichter ihm sogar einen Punkt zusprechen. Klar, daß die Spieler solche Situationen provozieren und dann ewig mit dem Schiedsrichter streiten.
Vielleicht ist es gerade das, was das Squash als Zuschauersport bislang nicht recht hat zum Zuge kommen lassen. Wer die Regeln nicht genau kennt, kann solche taktischen Finessen kaum begreifen. Kein Wunder also, daß sich auch unter den Zuschauern in Nürtingen niemand findet, der nicht selbst Squash spielt – und dann über die rasante Geschwindigkeit, das sichere Timing und die Tricks der Elitespieler ins Staunen gerät. Squash gilt als schnellster Schlägersport neben Tischtennis.
Im Auftaktspiel am Donnerstag traf der Kanadier Jonathan Power, ein Jüngelchen mit frechem Milchbubengesicht, der auf Weltranglisten-Position 17 steht, auf Simon Baker aus Australien. Baker war nur durch die Absage Jansher Khans noch ins Feld aufgerückt. Power spielte variantenreicher und gelenkiger, zeigte wunderschöne, präzise Stops, schlug Baker sicher mit 3:0 Sätzen – und blieb damit der einzige ungesetzte Spieler, der ins Viertelfinale aufrückte. Der deutsche Meister Hansi Wiens aus Paderborn, der beim HSC Nürtingen für die Bundesliga spielt, scheiterte klar am Weltranglisten-Fünften Chris Walker, und das einzige Match, in dem der Spielausgang der Weltranglisten-Positionierung widersprach, war das zwischen dem Weltranglisten-Dritten Brett Martin aus Australien und seinem Landsmann Anthony Hill – ein wahrer Augenschmaus, wenngleich auch bestimmt vom Dauergeschimpfe des als „McEnroe des Squash“ bekannten Hill. Brett Martin schlug unglaublich trickreiche Bälle aus dem Handgelenk, Hill brachte fast alles zurück, gewann schließlich im fünften Satz – und zog immer noch schimpfend aus der Halle.
Die Spiele zogen sich viel länger hin als geplant, und als gegen halb ein Uhr nachts endlich das letzte Spiel der Hauptrunde aufgerufen wurde, waren noch ganze 30 Zuschauer im Saal, um Rodney Eyles, die Nummer 2 der Welt, gegen Craig Rowland, die Nummer 9, gewinnen zu sehen. Heute finden in Nürtingen die Halbfinals statt, morgen die Finalspiele.
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