piwik no script img

Apartheidtäter sollen vor Gericht

Noch bevor Südafrikas „Wahrheitskommission“ zu ihrer ersten Sitzung zusammengetreten ist, klagen Angehörige von Opfern gegen die Art der „nationalen Versöhnung“  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Wenige Tage, bevor die südafrikanische Wahrheitskommission ihre Arbeit aufnimmt, haben mehrere prominente Familien von Apartheidopfern deren Rechtmäßigkeit in Frage gestellt.

Allen voran die Witwe des Black-Consciousness-Führers Steve Biko, legten sie am Dienstag abend einen Antrag auf Verfassungsklage gegen das „Gesetz für Nationale Einheit und Versöhnung“ ein, das die Arbeit der Wahrheitskommission regelt. Wie der Anwalt der Kläger, Cyril Morolo, erklärte, verstößt das Gesetz nach Ansicht der Kläger gegen das verfassungsmäßig garantierte Recht auf juristische Wiedergutmachung der Hinterbliebenen. Ob und wie die Klage behandelt wird, war gestern noch unklar, denn bislang erfüllt sie noch nicht die juristischen Formalia. Nach Auskunft eines Angestellten des Verfassungsgerichts in Johannesburg waren die Kläger dazu aufgefordert worden, bis gestern morgen weitere Kopien der Klage einzureichen, was sie versäumten. Bis Freitag spätestens will der Präsident des Verfassungsgerichts, Arthur Chaskalson, nun entscheiden, wie mit dem Fall verfahren wird.

Daß die Klage standhält, ist eher unwahrscheinlich. Im Moment sorgt sie in erster Linie für publizistische Aufmerksamkeit, denn am kommenden Montag sollen die ersten öffentlichen Anhörungen der Wahrheitskommission in der Kleinstadt East London an der Südküste Südafrikas beginnen. Die Kläger wollen jetzt vor allem eines erreichen: daß die Anhörungen notfalls per einstweiliger Verfügung verschoben werden. Bis gestern nachmittag um 16 Uhr gab Morolo dem Vorsitzenden der Wahrheitskommission, Erzbischof Desmond Tutu, in einem Brief Zeit, um von sich aus die Anhörungen zu verschieben. Dann will er per Eilantrag eine einstweilige Verfügung durchsetzen. Tutu ließ jedoch bereits am Dienstag nachmittag erklären, er denke gar nicht daran, die Anhörungen abzublasen – es sei denn, er werde juristisch dazu angewiesen.

Schon seit Monaten macht die Gruppe um Ntsiki Biko Stimmung gegen die in Südafrika ohnehin höchst umstrittene Kommission. Das Prinzip, das der Wahrheitskommission zugrunde liegt, durch Aufklärung zu Wahrheit und Versöhnung zu gelangen, lehnen die Familien Biko, Mxenge und Ribeiro ab. Sie wollen statt dessen, daß die Fälle ihrer Familienangehörigen, die während der Apartheidzeit grausam ermordet wurden, neu aufgerollt und vor Gericht gebracht werden.

Steve Biko starb 1977 unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen an Kopfverletzungen, die ihm in seiner mehr als einmonatigen Haft in den berüchtigten Zellen der Sicherheitspolizei beigebracht wurden. Wegen des enormen öffentlichen und internationalen Drucks mußte die Regierung damals eine Untersuchungskommission einsetzen – doch die kam zu dem Schluß, daß Biko sich die Verletzungen während eines Kampfes selbst zugezogen habe.

Noch ein wenig anders liegt der Fall der Familie Mxenge. Der prominente Menschenrechtsanwalt wurde Anfang der 80er Jahre von einer sogenannten Todesschwadron im Township Umlazi in der Nähe von Durban erstochen. Die Familie kennt die Mörder, denn einer der Verantwortlichen, der frühere Sicherheitspolizist Dirk Coetzee, hat vor ein paar Jahren ausgepackt. Heute arbeitet der ehemalige Befehlshaber der berüchtigten Vlakplaas-Einheit der Sicherheitspolizei beim südafrikanischen Geheimdienst und ist einer der ersten, der vor der Wahrheitskommission Amnestie beantragt hat. Die Chancen der Mxenges, Coetzee vor Gericht zu bringen, sind nicht sehr groß, denn Südafrika hat mit der Wahrheitskommission einen anderen Weg der Vergangenheitsaufarbeitung beschritten. Ehemalige Täter können Amnestie für politische Verbrechen beantragen – unter der Voraussetzung, daß sie freiwillig ein volles Geständnis vor der Kommission ablegen. Dann sind sie von weiterer Strafverfolgung ausgenommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen