piwik no script img

Anwälte über Stasi-Kollegen sauer

■ Berliner Rechtsanwaltskammer empört: Rund fünfzig Rechtsanwälte und Richter, die früher Mitarbeiter der Staatssicherheit waren, erhalten in Berlin eine Zulassung

Berlin. Die Rechtsanwaltskammer Berlin hat mit Empörung darauf reagiert, daß auch etwa 50 Rechtsanwälte aus dem Ostteil Berlins ihre Zulassung erhalten, die möglicherweise als Stasi-Spitzel gewirkt haben oder als Richter politische Unrechtsurteile fällten. Die Kammer kritisierte gestern vor der Presse deshalb auch deutlich Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD). Die Berliner Justizverwaltung, die laut Kammer auch für solche sogenannten Problemfälle ihre Zustimmung gegeben hat, argumentiert, ihr sei durch den zwischen der Bundesregierung und de Maizière abgeschlossenen Einigungsvertrag die Hände gebunden.

Laut den Vereinbarungen im Einigungsvertrag erhalten in der ehemaligen DDR ansässige Rechtsanwälte auch ihre Zulassung im geeinten Deutschland. Dieses »Dilemma«, so sagte ein Mitglied des Berliner Kammerpräsidiums, stelle sich besonders in Berlin, weil es sehr selten sei, daß ein Rechtsanwalt beispielsweise von Sachsen nach Frankfurt/Main übersiedele.

Kammerpräsident Bernhard Dombeck erklärte, daß neben der vermuteten »politischen Belastung« bei mindestens 50 Anwaltskollegen in vielen Fällen auch »mangelnde Kompetenz« zu vermuten sei. Denn die Kollegen aus dem Osten seien im Recht der Bundesrepublik größtenteils noch nicht firm.

Wie es heißt, braucht auch der Ostberliner Anwalt Wolfgang Schnur, der im vergangenen Jahr eine Stasi-Mitarbeit einräumte, nicht um seine Zulassung für Gesamtberlin zu fürchten. Er wurde strafrechtlich nicht belangt.

Insgesamt gibt es knapp 800 Zulassungsanträge aus Ost-Berlin, die offenbar von der Justizverwaltung alle positiv beschieden wurden. Die Kammer kritisiert, daß die Justizsenatorin der Forderung nach Rücknahme der Zulassungen bei den sogenannten Problemfällen nicht zugestimmt habe. Kammergeschäftsführerin Vera von Doetinchem und Kollegen sagten: »Wir sind ein bißchen frustriert.« Die von der Kammer vorgebrachten Bedenken gegen Kollegen aus dem Osten habe von seiten der Justizverwaltung bisher nicht zu Konsequenzen geführt. In Anwaltskreisen in West-Berlin wurde auch mit Verwunderung registriert, daß die Zahl von ehemals 60 Rechtsanwälten vor der Wende in Ost-Berlin um mehrere hundert bis zur Einigung am 3. Oktober gewachsen sei. In der Ex-DDR hätten offenbar im Eiltempo noch viele, offenbar auch minderqualifizierte Juristen ihre Zulassung als Anwälte erhalten.

Ähnlich problematisch ist die Situation bei den Notaren aus dem Osten. Diese müssen sich nach der deutschen Einigung um eine Wiederzulassung bemühen. Auch hier soll es Fälle geben, in denen aus der Sicht von Westberliner Notaren eine solche Zulassung äußerst zweifelhaft sei. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen