■ Anwälte klauen Roben: Den Dieb im Arm
Der materielle Schaden beläuft sich auf 10.000 Mark, der Verlust für das Rechtsempfinden der Bundesbürger könnte ungleich schwerer wiegen. „Klauen Roben wie die Raben: Anwälte“ schlug die Rechtsanwaltskammer zu Berlin gestern Alarm und beklagte den Verlust von 25 (in Worten: fünfundzwanzig) Anwaltsroben. Die nämlich können de jure nackte Advokaten in den vom Robenzwang gekennzeichneten Rechtsgebieten (Moabit, Landgerichte, Kammergericht, Littenstraße) im Anwaltszimmer ausleihen. Auf Vertrauensbasis, wie eine Sprecherin der Anwaltskammer gestern mitteilte. Doch auch bei den „Organen der Rechtspflege“ gilt offenbar: Vertrauen ist gut, Kontrolle wäre besser gewesen. Die Roben zum Stückpreis von 400 Mark jedenfalls sind weg.
Und mit ihnen das Vertrauen in den Rechtsstaat. Wie bitte soll man einem Jugendlichen künftig mit dem Gericht drohen, wenn es selbst die Rechtskundigen nicht allzu ernst nehmen mit der Unversehrtheit des Eigentums? Und wie soll eine Mutter ihrem Kind verbieten, Geld aus der Haushaltskasse zu klauen, wenn die Anwälte gar ihre eigene Standesorganisation in den Ruin treiben? Der Vertrauensverlust wiegt um so schwerer, als das Robenzocken kaum als Indiz für die wachsende Verelendung des Anwaltsstandes gewertet werden kann. Zu befürchten ist statt dessen: Die Gelegenheitsdiebe klauen aus purer Lust! Was das Rechtsempfinden im Berufsleben empfindlich stört, mag im Liebesleben immerhin einen Zugewinn versprechen. Voilà! Was ist ein Kimono aus dem KaDeWe gegen eine Hochglanzrobe aus dem Kriminalgericht? Nichts ist schließlich unerotischer als ein gesetzestreuer und buchstabengläubiger Liebhaber. Auch in Anwaltsfamilien ist es offenbar chic geworden, einen Dieb (in den Armen) zu halten. Uwe Rada
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