: Antje Radcke auch in Hamburg glücklos
Eine Wahl zur neuen Parteisprecherin droht die Grün-Alternative Liste in Hamburg zu spalten
HAMBURG taz ■ Heute Abend kommt die Krise auf den Tisch. Dann entscheidet der Landesvorstand der Hamburger Grün-Alternativen Liste (GAL) darüber, ob die erst seit drei Wochen amtierende Parteiführung neu gewählt wird. Ein Jahr vor der nächsten Bürgerschaftswahl drohen interne Querelen die Grünen zunehmend zu lähmen. Im Mittelpunkt des Streits steht Parteisprecherin Antje Radcke, bis Juni Chefin der Bundesgrünen.
Kritiker bezweifeln, dass die 40-jährige Radcke nach ihrer Rückkehr in die Hansestadt rechtmäßig an die Spitze der GAL gewählt wurde. Auf der Mitgliederversammlung am 9. September war der erste Wahlgang von der Sitzungsleitung für ungültig erklärt worden, weil die Zahl der abgegebenen Stimmen angeblich höher war als die ausgegebenen Wahlzettel. Im zweiten Versuch siegte Radcke, Spitzenfrau der Parteilinken, mit zwei Stimmen Mehrheit vor ihrer Gegenkandidatin Heike Opitz. Im später annullierten Wahlgang hatte Opitz noch drei Stimmen Vorsprung gehabt. Die 25-Jährige ist die Kandidatin von Bürgermeisterin Krista Sager, eines großen Teils des Realo-Flügels und der Grünen Jugend, die in der GAL inzwischen zur dritten Kraft aufgestiegen ist.
Prompt reichten die Unterlegenen eine Anfechtungsklage beim dreiköpfigen Landesschiedsgericht der GAL ein, um die Annullierung des ersten Wahlgangs rückgängig machen zu lassen. In der vergangenen Woche ließ das Gericht durchblicken, dass die Klage Erfolg haben könnte.
Seither tobt hinter den Kulissen ein heftiger Machtkampf zwischen Realos, Parteijugend und Linken. Von Rücktritten ist die Rede, gar von „Kriegserklärungen“ – doch öffentlich mag sich keiner der Kontrahenten zu dem Streit äußern. Inzwischen wird eine Neuwahl des Gesamtvorstandes erwogen. Das wäre, meinen die letzten kühlen Köpfe in den verfeindeten Lagern, „die politisch sauberere Lösung“. Dem zerstrittenen und kaum noch arbeitsfähigen Parteivorstand gehören neben Radtke und ihrem Realo-Sprecherkollegen Kurt Edler drei Realos und zwei Linke als Beisitzer an.
Eine Neuwahl könnte frühestens Ende November stattfinden. Voraussetzung ist aber, dass die Anfechtungsklage beim Schiedsgericht zurückgezogen wird. Trotz aller Beschwichtigungsversuche führender Realos ist die Grüne Jugend dazu jedoch bislang nicht bereit. Ob der Vorstand heute Abend einen Ausweg aus der Krise findet, ist denn auch völlig ungewiss.
SVEN-MICHAEL VEIT
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