Antisemitismus-Resolution: Autoritäre Zeitenwende statt Antisemitismus-Bekämpfung
Die nun ehemalige Ampel, Union und AfD stimmten für die Antisemitismus-Resolution. Das wird Folgen haben für das Leben von Migrant:innen.
G esinnungsprüfung à la McCarthyismus. Nichts anderes ist die am Donnerstag vom Bundestag verabschiedete sogenannte Antisemitismus-Resolution: Auch, wenn ihr offizielles Ziel der dringendst verbesserungswürdige Schutz von jüdischen Menschen in Deutschland ist.
Viele Jüd:innen leben seit den Hamas-Angriffen vom 7. Oktober 2023 wieder vermehrt in Angst, antisemitische Übergriffe sind gewaltig angestiegen. Das kann niemand bestreiten. Und es ist schändlich. Dass die Politik jüdische Menschen nun besser schützen möchte, ist begrüßenswert und könnte ein wichtiges Signal sein. Doch leider verfehlt die verabschiedete Resolution ihr Ziel.
Einige haben den Verdacht, dass es um Kriminalisierung von Kritik an Israel geht, nicht um den Schutz jüdischer Menschen. Dass in dem Papier wortwörtlich die Rede davon ist, „repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen“, nährt diesen Verdacht. Genauso wie die Nutzung der umstrittenen IHRA-Definition als Maßgabe für die Bewertung, ob etwas antisemitisch ist oder nicht.
Nun ist diese Resolution zwar rechtlich nicht bindend. Doch als Orientierung kann sie dennoch herangezogen werden, so wie es beispielsweise in der Praxis bei der umstrittenen BDS-Resolution des Bundestages von 2019 der Fall ist. Besonders gefährlich wird es dann, wenn die Vergabe staatlicher Mittel an die Resolution geknüpft wird, oder gar das Aslyrecht, wie es im Papier vorgesehen ist.
Zu denken geben sollte auch, dass Wissenschaftler:innen und Künstler:innen in den vergangenen Wochen appelliert haben, die Resolution in ihrer Form nicht zu verabschieden. Nicht zuletzt, weil sie auch für linke Jüd:innen Folgen haben kann.
Brandmauer zur AfD bröckelt
Einige Befürworter:innen führen als Pro-Argument an, dass bestimmte jüdische Organisationen die Resolution befürworten. Doch das ignoriert, dass es andere nicht tun – dass jüdisches Leben eben nicht homogen, sondern vor allem auch politisch vielfältig ist.
Was der Tragik der Geschichte aber die Krone aufsetzt, ist, dass diese Resolution für die AfD nicht nur zustimmungsfähig war: Die extrem rechte Partei bedankte sich sogar für den Antrag. Die ohnehin schon bröckelnde Brandmauer wird zu einer Schandmauer. Und die Querfront, vor der die Befürworter:innen dieser Resolution immer warnen, ist spätestens hiermit da.
Auf kurz oder lang wird diese Resolution einschneidende Folgen haben für das Leben von Migrant:innen, für die Arbeit von Aktivist:innen – die sowieso schon massiven Repressionen ausgesetzt sind -, für die Kultur und auch für die Forschung. Sie wird dem sowieso schon vergifteten Klima in Deutschland einen Bärendienst erweisen. Die autoritäre Zeitenwende, sie hat gerade erst begonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste