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Antisemitische Angriffe in DeutschlandJeden Tag vier Straftaten

Bei der Mehrheit aller Delikte gehen die Behörden von rechts motivierten Tätern aus. Zudem ist eine hohe Dunkelziffer anzunehmen.

Antisemitische Sticker werden zur Agitation genutzt Foto: Imago/Uwe Steinert

Berlin afp | Im vergangen Jahr wurden in Deutschland 1453 antisemitische Straftaten registriert. Das sind ungefähr soviel wie 2016, aber mehr als 2015, wie der Tagesspiegel unter Berufung auf Angaben der Bundesregierung berichtete. Die Zahl von durchschnittlich vier Straftaten am Tag würden vermutlich noch steigen, da nicht alle Angaben der Länder bereits endgültig erfasst seien.

Bei 1377 aller Delikte gehen die Behörden von rechts motivierten Tätern aus, wie die Bundesregierung auf Fragen von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) mitteilte. 33 Straftaten werden ausländischen Antisemiten ohne islamistischen Hintergrund zugeschrieben, weitere 25 Delikte „religiös motivierten“ Antisemiten, also meist muslimischen Tätern ausländischer sowie deutscher Herkunft.

Bei 17 Taten war es der Polizei trotz erkennbarem Judenhass nicht möglich, ein politisches Milieu zu ermitteln. Nur ein einziges Delikt, eine von 898 Volksverhetzungen, war nach Erkenntnissen der Polizei links motiviert.

Die Bundestagsfraktion der Union verwies angesichts der Zahlen auf ihre Forderung, dass antisemitische Straftaten im Verfassungsschutzbericht gesondert auszuweisen seien. „Derzeit besteht vermutlich eine hohe Dunkelziffer“, erklärte der stellvertretende Fraktionschef Stephan Harbarth (CDU).

Zwar liege der Schwerpunkt antisemitischer Straftaten unverändert im rechtsradikalen Bereich, aber „wir müssen auch den Antisemitismus unter Zuwanderern genau im Blick haben“, forderte Harbarth. „Wer in Deutschland Schutz vor Verfolgung sucht, darf dies nicht zur Verfolgung Andersgläubiger missbrauchen. Für die Verbrennungen israelischer Flaggen wie zuletzt vor dem Brandenburger Tor darf es keinen Raum geben.“

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3 Kommentare

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  • Es gibt eine tolle ZDF- Doku -Die suche nach Hitlers Volk- https://www.youtube.com/watch?v=RA02rb7JHBs

     

    Zwei Zitate von Georg Stefan Troller:

     

    1:19

    "Dass die Deutschen in ihrer überwältigenden Mehrheit an die Hitler- Diktatur geglaubt haben, das hat jeden vernünftig denkenden total verblüfft und verblüfft mich heute noch."

     

    33:10

    "Das Überlegenheitsgefühl ihrer eigenen Art ihrer Rasse ihres Volkes, das hatte Hitler nicht zu erfinden, das war schon da. Dieses Gefühl, dass man die höhere Kultur besitze."

     

    Zitat Ende

     

    Die wichtigste Anstrengung, sich damit intensiv auseinanderzusetzen, waren die Auschwitzprozesse in den 60ern, deren öffentliche Wirkung aber mit der 68er- Randale weitgehend untergegangen ist. Götz Aly hat die Scherben in seinem Buch -Unser Kampf 1968 – ein irritierter Blick zurück- zusammengetragen. Und da wundern wir uns über Nazis im Land der Täter, aus welchen Milieus auch immer.

  • "Bei der Mehrheit aller Delikte gehen die Behörden von rechts motivierten Tätern aus."

     

    Damit machen die Behörden es sich aber zu einfach. Darauf hat auch der Expertenkreis Antisemitismus in seinem Bericht für den Bundestag hingewiesen:

     

    "Fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten werden grundsätzlich immer dann dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet, wenn keine weiteren Spezifika erkennbar sind (z. B. nur der Schriftzug »Juden raus«) und zu denen keine Tatverdächtigen bekannt geworden sind. Damit entsteht möglicherweise ein nach rechts verzerrtes Bild über die Tatmotivation und den Täterkreis." (//dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811970.pdf, S. 34)

     

    Der Expertenkreis hat nicht nur die Ergebnisse bereits vorhandener Studien zusammengetragen, sondern auch eigene Befragungen durchgeführt um etwas Licht ins Dunkelfeld zu bringen. Die Ergebnisse stehen den Einschätzungen der Behörden diametral entgegen:

     

    "Rund 20 Prozent der Befragten ordneten die Täter von versteckten Andeutungen und verbalen Beleidigungen und 25 Prozent von körperlichen Angriffen als linksextrem ein. Als rechtsextrem wurden 15 Prozent der versteckten Andeutungen bzw. 19 Prozent der Beleidigungen und körperlichen Angriffe eingestuft. Rund ein Viertel der Befragten gab an, die versteckten Andeutungen bzw. Beleidigungen seien christlich-religiös motiviert. Besonders häufig wurden muslimische Personen als Täter angegeben: 48 Prozent der versteckten Andeutungen, 62 Prozent der Beleidigungen und 81 Prozent der körperlichen Angriffe gingen nach dieser Einschätzung von muslimischen Personen aus." (S. 115)

     

    Die erwartbaren Reaktionen von Seiten der Politik und der Medien folgen dem bekannten Muster. Es kann schließlich nicht sein, was nicht sein darf.

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