Proteste gegen Regierung in Moldau: In Russlands Einflusssphäre bis 2030?

Die von der Opposition organisierten Proteste in der Republik Moldau sind Teil des hybriden Krieges, den Russland auf Moldaus Staatsgebiet führt.

Antiregierungsprotest in Chisinau. Stellvertretende Vorsitzende der Shor-Partei spricht bei einer Demonstration

Marina Tauber, stellvertretende Vorsitzende der moldauischen Shor-Partei, während eines Antiregierungsprotests in Chișinău am vergangenen Sonntag, 12. März Foto: Aurel Obreja/ap

CHIşINăU taz | Die prorussische Oppositionspartei Shor in der Republik Moldau organisiert allwöchentlich regierungsfeindliche Proteste im Land. Diese Kundgebungen finden statt, obwohl die Behörden die Menschen vor einer Teilnahme warnen und erklären, dass es dabei zu Gewalt kommen könnte, Außenstehende mitmischten und die Aktionen auf einen Staatsstreich abzielen. Die Demonstranten fordern, dass die Regierung ihre Kosten für Heizung und Strom in den Wintermonaten vollständig bezahlt. Die Energiepreise in Moldau sind stark angestiegen, seit Russland nur noch knapp die Hälfte der bisherigen Gasmenge ins Land liefert.

Gleichzeitig fordern die Menschen die Regierung auf, einen Krieg im Land zu verhindern. Die Organisatoren der Proteste weisen darauf hin, dass die Verurteilung des brutalen Einmarsches Russlands in der Ukraine seitens des moldauischen Parlaments und die proeuropäische Ausrichtung der derzeitigen Regierung dazu führen könnten, dass auch in Moldau russische Truppen einmarschieren könnten. Papiertauben auf ihrer Brust, ein Symbol des Friedens, tragen oft die Protestierenden, die mit den Demonstrationen ebenfalls auf die Äußerungen des russischen Außenministers Sergei Lawrow Anfang März reagieren. Er hatte Moldau mit dem gleichen Schicksal wie die Ukraine gedroht.

„Korrupte Gruppen instrumentalisieren für ihre Zwecke Menschen mit geringem Einkommen, die empfänglich für Manipulationen und Falschinformationen sind“, sagte Präsidentin Maia Sandu gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender Moldowa 1 im Bezug auf die Proteste. Sie wollen die Regierung stürzen, um die Macht zu ergreifen und gleichzeitig Korruptionsstrafen zu entgehen. Bereits im vergangenen Herbst hatten prorussische Kräfte um die oppositionelle Shor-Partei versucht, mit regierungsfeindlichen Protesten im Zentrum der Hauptstadt Chişinău die proeuropäische Regierung zu destabilisieren. Damals hatten sie arme Menschen fürs Protestieren bezahlt. Seit Anfang Februar gibt es diese Demonstrationen wieder.

Russischer hybrider Krieg gegen die Republik Moldau

Die Aktionen sind Teil eines hybriden Krieges, den Russland in Moldau führt und der darauf abzielt, einen Staatsstreich zu verursachen, um die derzeitige proeuropäische Regierung zu stürzen und eine prorussische Führung zu installieren. Die moldauische Präsidentin hat Anfang Februar öffentlich über diesen Plan gesprochen, nachdem der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski den Europäischen Rat über ein neues russisches Ablenkungsmanöver in Moldau informiert hatte – einen Plan, der vom ukrainischen Geheimdienst abgefangen und den moldauischen Behörden übergeben wurde.

Bereits im Herbst versuchten pro­russische Kräfte, die Pro-EU-Regierung zu destabilisieren

So erklärte der Leiter der Nationalen Polizeiinspektion, Viorel Cerneautianu, bei einer Protest am vergangenen Sonntag, dass russische Spezialeinheiten an der Destabilisierung Moldaus beteiligt seien. Ziel sei gewesen, „destabilisierende Aktionen und Massenunruhen zu organisieren“. 25 moldauische und russische Staatsbürger wurden polizeilich erfasst, sieben festgenommen. Für die „Destabilisierung“ waren einzelnen Personen jeweils bis zu 10.000 Dollar versprochen worden.

Russland plant, Moldau bis 2030 unter seinen Einfluss zu bringen. Dies geht aus einem geleakten Dokument der Präsidialverwaltung des Kremls hervor, das von einer internationalen Journalistengruppe veröffentlicht wurde. Der Shor-Partei und ihren Demonstrationen kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Die Halbierung der Gaslieferungen sollte zur Destabilisierung der Situation im Land beitragen. Gleichzeitig wird im Dokument erklärt, dass es besonders wichtig sei, einen Beitritt Moldaus zur EU und zur Nato mithilfe von Fehlinformationen und Verleumdungskampagnen zu verhindern. So will Russland bis 2030 „in der moldauischen Gesellschaft und in politischen Kreisen eine ablehnende Haltung gegenüber der Nato erzielen“.

Außerdem will der Kreml Moldau zur Mitwirkung an russischen internationalen Projekten wie der 2002 von Russland initiierten „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ (OVKS) und der Eurasischen Union zwingen. Der Konflikt in Transnistrien soll durch die Gewährung eines Sonderstatus für die Enklave gelöst werden. In Bezug auf sicherheitspolitische Ziele möchte Russland „stabile prorussische Einflussgruppen unter den moldauischen politischen und wirtschaftlichen Eliten schaffen“. Im Bereich Wirtschaft plant Moskau die „Aufrechterhaltung der bisherigen Liefermenge und der Rechtsgrundlage für russische Erdgaslieferungen“.

Präsidentin Sandu erklärte in ihrer Rede vorm moldauischen Parlament am 16. März, dass die Republik bis 2030 Mitglied der EU werden soll. „Die Moldauer haben sich für den europäischen Weg entschieden. Wie schnell wir dort ankommen, hängt von uns allen ab.“

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

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