Antimuslimische Stimmung in Hannover: Die neue Liebe zum Schaf

Die niedersächsische CDU-Fraktion will das rituelle Schlachten von Tieren verbieten lassen, wenn es ohne Betäubung erfolgt.

Aktivisten in weißer Kleidung demonstrieren mit viel Kunstblut gegen das Schächten

Finden das Schächten von Tieren besonders schlimm: Tierschützer vor einer Berliner Moschee Foto: dpa

Warum den Populismus der AfD überlassen, hat sich offenbar die niedersächsische CDU-Fraktion gedacht und öffentlichkeitswirksam kurz nach dem muslimischen Opferfest ein Verbot des Schächtens gefordert. Dem betäubungslose Töten von Tieren aus religiösen Gründen einen Riegel vorzuschieben, ist eine alte Forderung der Rechtspopulisten, deren antimuslimische Haltung immer mitschwingt, wenn sie von Tierschutz reden.

Von der AfD erwartet niemand etwas anderes. Dass aber die CDU in Niedersachsen mit einer solch schlichten Forderung die gesellschaftliche Spaltung vorantreibt, ist bedenklich.

Muslim*innen müssen sich ohnehin oft als „die Anderen“ fühlen. Wie war gleich der letzte Stand der politischen Debatte? Gehört der Islam nun zu Deutschland oder nicht? Bei Bewerbungen auf Jobs und Wohnungen haben sie schlechtere Chancen. Die Kopftuchdebatte ist ebenso endlos wie das Misstrauen, dem sich Menschen, die an Allah glauben, ausgesetzt sehen.

Bei der aktuellen Debatte in Niedersachsen geht es um 200 Schafe. Das ist die Zahl der Ausnahmegenehmigungen, die im Land für das Opferfest 2019 erteilt wurden. Natürlich geht es im Tierschutz darum, jedes einzelne Tier vor Schmerz und Leid zu bewahren. Aber verglichen mit den Millionen Schweinen, Rindern und Hühnern, die jedes Jahr in niedersächsischen Schlachthöfen sterben, kann man die Sinnhaftigkeit einer dumpfen Forderung nach einem Verbot dennoch infrage stellen.

System Massentierhaltung

In Schlachthöfen und landwirtschaftlichen Betrieben decken Tierschützer*innen immer wieder Quälerei auf. Tiere leiden in Niedersachsen Tag für Tag unter dem skandalösem Fehlverhalten Einzelner, aber auch unter den Bedingungen, die im System Massentierhaltung unvermeidlich, ja sogar gewollt sind – Enge, Masse, Turbo-Aufzucht und Turbo-Schlachtung.

Die niedersächsische CDU-Fraktion hat sich bisher nicht dadurch hervorgetan, dass sie eine Revolution dieses tierfeindlichen Systems anstrebt. Sie müsste sich, um wirkliche Verbesserungen zu erreichen, mit wichtigen Arbeitgeber*innen der Region und starken Lobbygruppen wie dem Landvolk anlegen – mit den eigenen Wähler*innen.

Es ist einfacher, sich als Tierschützer*innen zu präsentieren, wenn es um 200 Tiere geht, von der nur eine Minderheit im Land einen Nutzen hat.

Die inhaltliche Dimension ist dabei völlig nebensächlich. Denn natürlich hat die CDU Recht. Zwar sind die Vertreter*innen der Religionsgemeinschaften davon überzeugt, dass ein schneller, sauberer Schnitt durch Luft- und Speiseröhre, einen qualfreien Tod bedeutet, aber selbst wenn: Die Welt ist nicht ideal.

Die Fehler der Schlachter

Deswegen ist es für ein Tier besser, wenn es vor seinem Tod betäubt wird. Denn Schlachter, egal ob muslimische oder nicht, machen Fehler. Einmal falsch angesetzt, nur halb getroffen: ein Gemetzel. Da ist es sicher besser, wenn, so wie es die CDU vorschlägt, das Schaf oder die Ziege eine elektrische Kurzzeitbetäubung erfährt. Ebenfalls möglich wäre es übrigens, gar keine toten Tiere zu essen. Aber das wurde von der CDU überraschenderweise nie propagiert.

Wenn die niedersächsische Landtagsfraktion, wie sie in einer Mitteilung schreibt, „um das Wohl unserer Mitgeschöpfe bemüht“, einstimmig beschließt, „gegen das betäubungslose Schächten vorzugehen“, ist das problematisch. Viele Muslim*innen essen schon heute in ihrem Alltag Fleisch, das von Tieren stammt, die vor ihrem Tod betäubt waren. Solange die Schlachter selbst Muslime sind und ein Gebet für das Tier sprechen, bevor sie es töten, ist das für viele liberale Gläubige in Ordnung.

Gespräche statt Verbote

Es ist an der Politik, mit den Vertreter*innen von Religionsgemeinschaften über den Tierschutz zu sprechen, sie über neue technische Möglichkeit aufzuklären und beharrlich für eine Betäubung zu werben. Eine andere Möglichkeit haben sie nicht. Religionsfreiheit ist in Deutschland zurecht ein Grundrecht.

Ein Verbot zu fordern, statt in den Dialog zu treten, verhärtet die Fronten nur noch mehr. Und wenn die CDU etwas dagegen tun will, dass Tiere leiden, könnte sie bei der Massentierhaltung beginnen. Dort werden immer noch Küken geschreddert, Säue eingepfercht, Milchkühe ausgemergelt oder Enten auf dem Trockenen gehalten.

Mehr über das Schächten mit und ohne Betäubung und warum es die CDU zum Thema macht, lesen Sie in der aktuellen taz am Wochenende oder hier.

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War bis Dezember 2022 Redaktionsleiterin der taz nord. Davor Niedersachsen Korrespondentin der taz. Schwerpunkte sind Themen wie Asyl und Integration, Landwirtschaft und Tierschutz.

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