: „Anmaßend und fachlich völlig unbegründet“
■ Übereifrig: Bund der Steuerzahler will sozialen Einrichtungen 15 Prozent streichen
Sprachkurse im Seniorenbildungswerk sind nach Ansicht des Hamburger Bunds für Steuerzahler (BdST) überflüssig. Auch bei den Lesbengruppen oder Paartherapien der Drogenberatungsstelle „Frauenperspektiven“ könnte kräftig gespart werden. „Nichts gegen Lesben“, so die BdST-Pressesprecherin Gertrud Erdmann. Aber: Dem Steuerzahler könne das nicht zugemutet werden, „gerade in Projekten die nur einen kleinen Personenkreis ansprechen.“ Bei gesellschaftlichen Randgruppen wie Senioren oder Frauen könne man doch „konzentrieren“, also zum Beispiel das Angebot der VHS wahrnehmen.
Über 100 soziale und kulturelle Einrichtungen hat der BdST angeschrieben und aufgefordert nachzuweisen, daß die finanziellen Zuwendungen „einem überwiegend allgemeinen Interesse dienen“. Sparvorschläge von 15 Prozent lieferte das Schreiben des übereifrigen Vorsitzenden Frank Neubauer gleich mit. „Mindestens 16.500 Mark“ weniger könne etwa das Seniorenbildungswerk verkraften.
Dabei ist das Motiv der BdST-Briefaktion edel, denn um sicherzustellen, „daß die Projekte langfristig nicht ganz gestrichen werden“ müsse man diesen eben die „Dramatik der Haushaltslage“ klarmachen. Die 40 Millionen, die die Stadt freiwillig für eine „ganz große Wiese nützlicher Beschäftigungen“ ausgeben würde, könne sie sich nicht mehr leisten.
Statt Dankbarkeit für die aufopferungsvolle Recherchearbeit – „die Zuwendungsempfänger herauszubekommen war nicht einfach“, so Erdmann – kamen jede Menge zorniger Briefe. Arg verschnupft über die selbsternannten BdST-Haushaltsexperten schrieb die Amtsleiterin der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), Elisabeth Lingner: Das „Ansinnen des Bundes für Steuerzahler“ sei nicht nur „anmaßend, sondern auch fachlich völlig unbegründet“. Weder könne der BdST beurteilen, in welcher Höhe Zuwendungen „gerechtfertigt seien“, noch ob die Angebote der sozialen Einrichtungen im „Interesse der Allgemeinheit“ seien.
Besonders verärgert ist die BAGS darüber, daß die freien Träger direkt angeschrieben wurden. Fachbehörden, Senat und Bürgerschaft wären die „richtigen Adressaten gewesen“, weist Lingner den BdST zurecht. Die bereits in diesem Bereich vorgenommenen Kürzungen ignorierend, hätte der BdST so nur zu Irritationen beigetragen. Silke Mertins
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