Anklagen wegen Sommermärchen-Affäre: Probleme nach Steuer
Gegen drei frühere DFB-Funktionäre wird Anklage erhoben. Überzeugende Argumente für ihre Unschuld können sie bislang nicht präsentieren.
Es ist kaum erklärlich, warum man im Hause des Deutschen Fußballbunds so wenig auf die Medien des Springer-Konzerns hört. „Was Bild seit Wochen angekündigt hat, ist jetzt amtlich!“, verkündete das Blatt am Dienstag, und tatsächlich erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anklage: gegen die früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sowie den Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und den früheren Fifa-Generalsekretär Urs Linsi wegen Steuerhinterziehung.
Es geht immer noch um die 6,7 Millionen Euro, die 2002 im Vorfeld der Fußball-WM 2006 zunächst vom mittlerweile verstorbenen früheren Adidas-Chef Robert-Louis Dreyfus an den WM-OK-Chef Franz Beckenbauer gingen und die der auf ein Konto in Katar überwies, das letztlich dem mittlerweile geschassten Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam gehörte.
Seit der Spiegel 2015 erstmals über die ominöse Zahlung berichtete, hatte der DFB Zeit, sich eine plausible Geschichte zurechtzulegen. Herausgekommen ist aber noch nichts Überzeugendes, und das ist auch den Reaktionen der drei Angeklagten zu entnehmen: Niersbach, der wegen dieser Affäre zurücktreten musste, hält den Vorwurf für „völlig haltlos“. Sein Vorgänger Zwanziger spricht in Bild von „blindem Aktionismus“, und Schmidt zieht die menschelnde Karte: „Die fast zweieinhalbjährigen Ermittlungen, die Durchsuchung meines Hauses und die ständige Berichterstattung über das Verfahren haben bei meiner Familie und mir Spuren hinterlassen.“
In dem Verfahren geht es nur um die steuerrechtliche Behandlung des Falls. Die zurückgehaltenen Steuern musste der DFB schon 2017 abdrücken – es war eine Strafzahlung von 19,2 Millionen Euro, gegen die der DFB auch juristisch vorgeht.
Beschuldigte widersprechen sich
Um Beckenbauer, die zentrale Figur des Skandals, kümmert sich immer noch die Schweizer Justiz. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt deswegen nicht gegen ihn, weil er die Steuererklärung nicht unterzeichnet hatte. Das taten Niersbach, Schmidt und Zwanziger, die interessanterweise bis zum heutigen Tage unterschiedliche Versionen präsentieren, wofür das Geld gebraucht wurde.
Zwanziger spricht von einem Zuschuss für eine Fifa-Gala, die es nie gab. Schmidt hingegen ließ dpa über seinen Anwalt mitteilen, es sei „um die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses der Fifa für die Durchführung der WM 2006 in Deutschland zu schaffen“ gegangen. Eine vielleicht naheliegendere Erklärung – dass nämlich mit dem Geld Stimmen gekauft wurden, um das „Sommermärchen“ nach Deutschland zu holen – wird von keinem der Beteiligten bislang bestätigt. Der DFB, der mit Reinhard Grindel einen in dieser Affäre unbelasteten neuen Präsidenten hat, argumentiert, die Zahlung sei betrieblich veranlasst gewesen. „Betrieblich veranlasst“, ist auch die Formulierung, die Schmidts Anwalt am Mittwoch benutzte.
Ob ein vermutlich beginnendes Strafverfahren die Frage nach dem letztlichen Zweck der Millionenzahlung beantworten wird, bleibt offen. Wahrscheinlich ist es nicht.
Die Chance für die Aufklärung besteht in dem Umstand, dass die Akteure schon seit Jahren verfeindet sind und sich in Angesicht drohender Haftstrafen gegenseitig beschuldigen könnten. Und, noch eine Chance, wenn der DFB seine Klage gegen die Strafsteuer verliert, wird er versuchen, sich das Geld in gewiss unterhaltsamen Zivilgerichtsverfahren von den damals Verantwortlichen zu holen: Niersbach, Schmidt, Zwanziger – und Beckenbauer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz