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■ KommentarAngstbeißer

Wölfe, die beißen, bellen manchmal nicht vorher. Innensenator Hartmuth Wrocklage gehört zum Typus des Angstbeißers. Daß er seinen Polizeipräsidenten abschiebt, ist keine politische Glanzleistung, sondern Notwehr. Aus Furcht, selbst zum Opfer zu werden, gab Wrocklage ihn zum Abschuß frei.

Des Senators Angst ist begreiflich. Er glaubt völlig zu recht, das eigentliche Ziel einer Kampagne zu sein. Der Apparat will ihn loswerden, so sehr sich der in Polizeikreisen als zu liberal geltende Senator auch bemüht, den Hardliner zu markieren. Übel nimmt man ihm vor allem, daß er sich einmischt und wirklich zu glauben scheint, bei der Polizei sei politische Führung gefragt.

Er leide unter politischer Bevormundung, hatte Semerak gejammert. Als ob es angemessen sei, die Polizei als Staat im Staate zu akzeptieren, als seien Vorgaben des Innensenators eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten.

Inhaltlich hat Wrocklage bislang zwar selten etwas richtig gemacht: Sein leidiges Handlungskonzept St. Georg und seine weiche Linie in Sachen Mauer des Schweigens sind dafür die schlimmsten Beispiele. Das Prinzip jedoch, die Polizei an die kurze Leine zu nehmen, ist die einzig richtige Konsequenz, die der Senator – wenn auch halbherzig – aus dem Polizeiskandal zog: Welch antidemokratisches Eigenleben der Apparat entwickelt, wenn man ihn gewähren läßt, muß dieser kein zweites Mal unter Beweis stellen.

Die Vereinigung der organisierten Kriminalisten will ihren politischen Chef nun abstrafen. Die nächste Machtprobe steht Wrocklage schon bevor: Ob er kurzfristig einen neuen Polizeichef seiner Wahl durchsetzen kann oder sich Semeraks Stellvertreter, den altgedienten Apparatschik Wolfgang Sielaff aufzwingen lassen muß, wird zeigen, wie es um seine Führungsqualitäten bestellt ist.

Silke Mertins

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