■ Kommentar: Angst vorm Volk
Die SPD hat Angst. Vor dem Volk. Das Volk ist böse. Es besteht aus Taxifahrern, die für die Todesstrafe sind, Facharbeitern, die am Wahlsonntag zu Hause bleiben und unanständigen Kindern, die bei den grünen Prozentedieben angeheuert haben.
Da hat die Sozialdemokratie in mehr als 100 Jahren Polit-Tankerfahrt das Eis der Verhältnisse gebrochen und dafür gesorgt, daß alle, von der Oma im Altenheim bis zur Paragraph-5-Schein-Alleinerzieherin in Mümmelmannsberg, SPD wählen dürfen. Doch was machen diese Leute, für deren Bestes die Sozis so weise und stellvertretend sorgen?
Sie sind verdrossen. Politikverdrossen. Sie verlangen von ihren Angestellten im Parlament Ehrlichkeit und eine erfolgreiche Politik. Damit nicht genug: Sie wollen auch noch mitreden. Die Hamburger SPD hat das lange nicht glauben wollen. Doch 1992, als selbst das Hamburger Abendblatt sein Stimmchen kritikasternd erhob, weil es der SPD höhere Diäten und eine ordentliche Altersrente mißgönnte, half alles „Wir-sind-die-Hamburg-Partei“-Gefühl (O-Ton Voscherau) nicht mehr.
Jetzt, nach nur vier Jahren, hat die SPD ihre abschließende Antwort vorgelegt. Sie lautet erneut: Wir, die SPD, sind das Volk. Die Volksgesetzgebung gibt's nur auf dem Papier. Am Wahltag gibts nur eine Stimme. Für das bayerische Panaschieren und Kumulieren sind die HamburgerInnen laut SPD zu dumm.
Obacht Genossen! Wenn ihr schon die CSU des Nordens seid, dann lernt doch von den bayerischen Kollegen: Die haben dem Volk demokratische Rechte spendiert und sitzen trotzdem (oder deshalb?) sicher im Sattel. Florian Marten
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