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Angst vor Rechts

■ Nur die geeinte Linke kann Widerstand leisten

Nie zuvor haben wir Frankreich so geliebt“, schrieb Arthur Koestler 1941 in der bitteren Erinnerung an den „Schmerz des Krieges und das Konzentrationslager von Vermet, wo Juden und Dissidenten von den französischen Freunden“ interniert und nach der Besetzung quasi automatisch den Nazis ausgeliefert wurden.

Auch wir von den nachfolgenden Generationen haben Frankreich so geliebt. Zusammen mit Daniel Cohn-Bendit haben wir die Weltbürgerschaft des jungen Internationalismus durch die Straßen von Paris geschrien, später hat uns „SOS racisme“ fasziniert. Wir haben Frankreich so sehr geliebt — und nun zittern wir davor: Weil ein Schüler unseres italienischen Neofaschistenführers Almirante seine Partei zur größten in Marseille machen kann, Angst, weil 15Prozent der Franzosen mit ihm sympathisieren, weil er uns „Indoeuropäer“ nennt (das Wort „Arier“ vermeidet er noch).

Und wir zittern vor der Wirkung, die diese Abstimmung in Frankreich auf den Rest Europas haben könnte. Bei uns zum Beispiel hält sich Neofaschistenführer Gianfranco Fini bereits für „unverzichtbar“ für das künftige politische Gleichgewicht; die fremdenfeindlich argumentierenden oberitalienischen Ligen könnten dort an die 30Prozent erreichen — und das vor allem bei den oft zur nackten Aggression bereiten Jungwählern. Auf der anderen Seite sehen wir Altstalinisten, die sich immer noch links nennen, aber keinerlei Scheu haben, sich mit den Ligen zumindest in einem Oppositions-Pakt zu verbünden.

Ich habe mir den Skinhead-Prozeß nach dem Überfall auf Immigranten angesehen: Die Eltern der Angeklagten saßen da in alten, ärmlichen Kleidern, Arbeiter oft. Einer der Väter sagte: „Unsere Jungen sind keine Rassisten, die sind Kinder der Vorstädte. Dreißig Jungen, dreißig Messer.“ Tatsächlich sind dies Jungen der Vorstädte und Rassisten. Der Rassismus kann auch zu einer Variante des Krieges zwischen Armen werden.

In Frankreich versuchen wenigstens einige Splitter des PCF gegenzusteuern und die elementaren Bürgerrechte zu verteidigen. Wir müssen uns da dranhängen, vermeiden, daß derlei nur zu einer Sekte verkommt. Nur eine kluge und starke Linke mit einem überzeugenden Programm kann Interessen und Werte artikulieren, die einem gesellschaftlichen Neuansatz zugrundliegen müßten. Mariella Gramaglia

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