piwik no script img

Angriff auf Tanklaster in AfghanistanKarlsruhe prüft Kriegsverbrechen

Die Bundesanwaltschaft untersucht die Anforderung von US-Bombern durch Bundeswehr-Oberst Klein wegen ziviler Todesopfer in Afghanistan.

Oberst Klein: Ihm droht im Falle einer Anklage Haft nicht unter fünf Jahren. Bild: dpa

Die Bundesanwaltschaft prüft jetzt, ob die Bundeswehr in Afghanistan Kriegsverbrechen begangen hat. Die bisher zuständige Generalstaatsanwaltschaft Dresden will nicht ermitteln, weil in Afghanistan ein "bewaffneter Konflikt" vorliege. Deshalb sei nicht das normale Strafrecht, sondern das Völkerstrafgesetzbuch anwendbar und für solche Taten sei die Bundesanwaltschaft zuständig.

Konkret geht es um Vorwürfe gegen Oberst Georg Klein. Er hatte im September einen Nato-Luftschlag gegen zwei von den Taliban entführte Tanklastzüge angeordnet. Bei den ausgelösten Detonationen starben Dutzende Menschen - neben Taliban-Kämpfern auch Bauern, die neugierig dabeistanden oder Benzin zapfen wollten. Ein bislang geheimer Untersuchungsbericht der internationalen Afghanistantruppe Isaf gibt die Zahl der Toten mit 17 bis 142 an. Der militärische Nutzen der Aktion war gering, weil die Tanklaster ohnehin im Flussbett feststeckten. Die Bundeswehr befürchtete, dass sie als "rollende Bomben" missbraucht werden könnten.

In Paragraf 11 des Völkerstrafgesetzbuchs werden "verbotene Methoden der Kriegsführung" unter Strafe gestellt. Demnach wäre der Befehl zum Luftschlag ein Kriegsverbrechen, wenn die Zahl der zivilen Toten außer Verhältnis zum militärischen Nutzen der Aktion stand - und Oberst Klein dies auch "sicher erwartete". Ihm droht im Falle einer Anklage Haft nicht unter fünf Jahren.

Zuständig war bisher die Staatsanwaltschaft in Sachsen, weil Oberst Klein in Leipzig stationiert ist. Bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte sich eine spezielle Ermittlergruppe für schwierige Fälle der Sache angenommen, aber von Beginn an erwartet, dass eigentlich die Bundesanwaltschaft zuständig ist. "Es hat sich ja geradezu aufgedrängt, dass dies ein Fall des Völkerstrafrechts ist", sagte der Dresdner Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein gestern zur taz, "und als wir den Isaf-Untersuchungsbericht erhielten, hat sich das bestätigt."

Damit stuft zum ersten Mal eine deutsche Staatsanwaltschaft die Situation in Afghanistan als "bewaffneten Konflikt" ein. Die Bundesanwaltschaft muss dem aber nicht folgen. Sie will jetzt mit einer eigenen Prüfung beginnen, die "einige Zeit" in Anspruch nehmen wird.

Noch ist also nicht einmal ein Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein eingeleitet worden. Und dass die Bundesanwaltschaft skeptisch ist, deutete sie gestern bereits an. Weil bei ihr einige Strafanzeigen gegen Oberst Klein eingegangen waren, hatte sie bereits eine erste vorläufige Prüfung anhand von Medienberichten vorgenommen. Danach ergaben sich "keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat deutscher Soldaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch".

Falls die Bundesanwaltschaft am Ende das Bestehen eines "bewaffneten Konflikts" verneint, wäre doch wieder die sächsische Staatsanwaltschaft zuständig und müsste prüfen, ob fahrlässige Tötung oder gar Mord vorliegt. Falls die Karlsruher Ankläger jedoch im Rahmen eines bewaffneten Konflikts kein Kriegsverbrechen oder keinen Vorsatz hierzu erkennen können, bliebe Oberst Klein straffrei.

Nach dem Isaf-Bericht hat der Offizier, als er den Bombereinsatz anforderte, zwar eigenmächtig gehandelt und Isaf-Regeln missachtet. Das dürfte aber wohl keine strafrechtlichen, sondern nur disziplinarische Folgen haben. Dies jedoch schloss Verteidigungsminister zu Guttenberg gestern aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • F
    Franz51

    Dass Oberst Klein mit seinem Einsatzbefehl Menschenrechte grob missachtet hat, leuchtet eigentlich jedem halbwegs normalen deutschen Bürger ein. Es stünde dem neuen Bundesverteidigungsminister gut an, hier klare Worte zu sprechen, anstatt herumzueiern. Ihm war bei seiner Rede ohnehin nicht wohl. So unsicher und zappelnd hat man den ansonsten eigentlich sehr selbsticheren Minister noch nie gesehen. Ich hoffe, er nimmt isch den Oberst wenigstens noch ´offline´ zur Brust und zeigt ihm, wo der Hammer hängt.

  • H
    Hagen

    Da hält sich ein Oberst mal nicht an die Regeln und es sterben Menschen. Aber disziplinarische Maßnahmen werden natürlich ausgeschlossen!

  • K
    Karl

    Ob der militärische Nutzen der Aktion "gering" war ist nicht mit hinreichender Sicherheit möglich.

     

    Eine Untersuchung ist allerdings auch zweifelsfrei erforderlich. Dabei steht die Frage nach der korrekten Einhaltung der Meldekette im Vordergrund. Es wird zu klären sein ob es sich um ein Dienstvergehen handelt, eine bewußte Falschmeldung, um einen Grund für die CAS-Anforderung zu haben oder ob der datenliefernde Aufklärungsverbund ein falsches Lagebild generierte das dann so weitergemeldet worden ist.

     

    Zur Frage der zivilen Todesopfer, nun wie will diese Frage zufriedenstellend beantwortet werden? Sofern keine leichen von Frauen und Kindern vorhanden sind, wirds schwierig, denn in einer Gegend wo auch "Zivilisten" bewaffnet sind...von Diesen dann irgendwelche Kämpfer/Kombattanten zu unterscheiden dürfte nicht gelingen.

     

    Ein Soldat der sich nicht an die Absprachen (rules of engagement) hält, ist nicht tragbar, sollte der Betroffene eigentlich dienstgradbedingt selbst wissen.

     

    Karl

  • A
    ast61

    dass Menschen sterben, ist sehr traurig, jedoch wurden unsere Jungs daruntergeschickt und müssen ihr Leben verteidigen, seit Jahren.

    Wahrscheinlich können wir uns hier gar nicht vorstellen, unter welchem Stress die tagtäglich stehen.

    Meinen 21-jährigen Sohn möchte ich da auch nicht sehen.

     

    Darum ist es unverantwortlich, wenn grüne Jungs dazu animiert werden, ihre Haut zu Markte zu tragen und für deren Rettung noch angeklagt werden.

     

    Ein Lichtblick ist die Entscheidung von KTzG, das Kind beim Namen zu nennen.

     

    Im Grunde haben wir da unten eigentlich nichts zu suchen.

  • F
    Franz51

    Dass Oberst Klein mit seinem Einsatzbefehl Menschenrechte grob missachtet hat, leuchtet eigentlich jedem halbwegs normalen deutschen Bürger ein. Es stünde dem neuen Bundesverteidigungsminister gut an, hier klare Worte zu sprechen, anstatt herumzueiern. Ihm war bei seiner Rede ohnehin nicht wohl. So unsicher und zappelnd hat man den ansonsten eigentlich sehr selbsticheren Minister noch nie gesehen. Ich hoffe, er nimmt isch den Oberst wenigstens noch ´offline´ zur Brust und zeigt ihm, wo der Hammer hängt.

  • H
    Hagen

    Da hält sich ein Oberst mal nicht an die Regeln und es sterben Menschen. Aber disziplinarische Maßnahmen werden natürlich ausgeschlossen!

  • K
    Karl

    Ob der militärische Nutzen der Aktion "gering" war ist nicht mit hinreichender Sicherheit möglich.

     

    Eine Untersuchung ist allerdings auch zweifelsfrei erforderlich. Dabei steht die Frage nach der korrekten Einhaltung der Meldekette im Vordergrund. Es wird zu klären sein ob es sich um ein Dienstvergehen handelt, eine bewußte Falschmeldung, um einen Grund für die CAS-Anforderung zu haben oder ob der datenliefernde Aufklärungsverbund ein falsches Lagebild generierte das dann so weitergemeldet worden ist.

     

    Zur Frage der zivilen Todesopfer, nun wie will diese Frage zufriedenstellend beantwortet werden? Sofern keine leichen von Frauen und Kindern vorhanden sind, wirds schwierig, denn in einer Gegend wo auch "Zivilisten" bewaffnet sind...von Diesen dann irgendwelche Kämpfer/Kombattanten zu unterscheiden dürfte nicht gelingen.

     

    Ein Soldat der sich nicht an die Absprachen (rules of engagement) hält, ist nicht tragbar, sollte der Betroffene eigentlich dienstgradbedingt selbst wissen.

     

    Karl

  • A
    ast61

    dass Menschen sterben, ist sehr traurig, jedoch wurden unsere Jungs daruntergeschickt und müssen ihr Leben verteidigen, seit Jahren.

    Wahrscheinlich können wir uns hier gar nicht vorstellen, unter welchem Stress die tagtäglich stehen.

    Meinen 21-jährigen Sohn möchte ich da auch nicht sehen.

     

    Darum ist es unverantwortlich, wenn grüne Jungs dazu animiert werden, ihre Haut zu Markte zu tragen und für deren Rettung noch angeklagt werden.

     

    Ein Lichtblick ist die Entscheidung von KTzG, das Kind beim Namen zu nennen.

     

    Im Grunde haben wir da unten eigentlich nichts zu suchen.