: Angewidert vom Kampf der Kulturen
betr.: derselbe Artikel
Die gelassene Betrachtung der Empörten ist gut, sie könnte ein friedlicheres Miteinander ermöglichen, sagt die sanfte Blümchenseite in mir, die der Kampf der Kulturen so anwidert wie die Betonung des Religiösen überhaupt, dieser überflüssigsten aller überflüssigen Privatangelegenheiten, deren Charakter als primäres Totschlagargument in Phasen ihrer Expansion unwiderlegt ist. Der Glaube der vielen aber lässt den Atheisten verstummen. Was hat Besserwisserei noch mit Blümchen zu tun?
Diese Betrachtung wiederum weckt den Historiker, der mit dem Faktum zeitlicher Abläufe alle Träume zu erschlagen sucht, die Blümchen im Alltag verdrängt – der Islam ist eben rund 600 Jahre jünger, und so verhält er sich eben kindischer als jene bereits im Aussterben begriffenen Kultgruppen. Als wären Fakten werthaltig. Zwar lassen sich auf deren dreifacher Wiederholung mittlerweile Magazine gründen, was aber an deren Wertlosigkeit nichts ändert, sondern nur den medialen Zustand der Gesellschaft hinterfragenswert macht. Der Historiker bleibt also blind für das Wesentliche, Lösungen liegen ihm schon wesensimmanent fern.
Hätte ich nun noch eine gute Strategin in mir, wüsste diese vielleicht, was vorliegend in Frage steht und zum Sieg des Guten führte. Doch so wenig mir Strategisches liegt, so fern bin ich der Antwort, wer nun gut ist, die „bushigen Kreuzritter“ oder die bärtigen Jünger des Propheten. Im Bewusstsein dieser Mängel kann ich nicht mehr die vermeintlichen Kinder spielen schicken. Wissen sie doch schon mit ihrer Gewissheit um Gott und den Ursprung der Welt mehr als ich. Da ziehe ich mich lieber spielend auf die Blümchenwiese zurück, bin selbst Kind, lasse die großen Alleswisser ihr Kämpfe ausfechten in der Hoffnung, sie mögen sich eines Tages sokratisch selbst beschränken. Ist die Teilnahmslosigkeit nicht die konsequente Philosophie der postideologischen Gesellschaft?
JENS TUENGERTHAL, Berlin