: Angestellte – unbekannt
■ Angestelltenkammer legt Forschungsergebnisse vor
Es sind viele, sie sind überall und es werden immer mehr – und die Anzahl der Frauen steigt. „Angestellte – das unbekannte Wesen“, unter diesem Titel ist die Angestelltenkammer der großen Bremer Unbekannten auf den Pelz gerückt. Dr. Heiner Stück, Autor der mit Karikaturen und statistischen Graphiken versehen Infoschrift dokumentiert mit umfangreichem Zahlenmaterial die Situation der Bremer Angestellten. 1989 antworteten 2.400 Angestellte auf die Fragen des Forschungsreferats. „In erster Linie wollen wir mit der Broschüre näher an die Bedürfnisse unserer Kammermitglieder heran“ erläutert der Kammer-Geschäftsführer Eberhard Fehrmann.
Und was wollen die Angestellten? Sie wünschen sich kürzere Arbeitszeiten und sie möchten ihren Arbeitstag flexibler gestalten. Besonders die Frauen: ein Viertel der befragten weiblichen Angestellten – die mit 57 Prozent die Mehrheit darstellen – plädiert bereits für eine 4- Tage-Woche. Grund hierfür sei die Doppelbelastung Beruf und Familie, die nach wie vor an den Frauen hängenbleibe. Die „klassische Versorgerehe“ gehe zwar zugunsten eines egalitären Modells allmählich zurück, aber noch immer seien die männlichen Vertreter der Spezies Angestellte wenig bereit, auch die Lebensverantwortung für die Familie zu übernehmen. Durchschnittlich 3.000 Mark verdient ein Vollzeitangestellter heute, während die Kollegin für die gleiche Tätigkeit lediglich 1.920 Mark am Ende des Monats auf ihrem Konto hat.
Gewerkschaftlich haben sich am besten die männlichen technischen Angestellten organisiert, die ihre Ausbildung im gewerblichen Bereich erhalten haben. Im Kontrast dazu ist die größte Beschäftigungsgruppe aller Angestellten ,die Kauffrauen gleichzeitig die größte der Nicht-Mitglieder.“Von wegen „gleichberechtigt!“ stellt denn auch die Broschüre bestürzt fest.
Aber die Gewerkschaften und die Angestellte, das ist sowieso ein dunkles Kapitel. Nur 15 Prozent der Angestellten sind in der Gewerkschaft, obwohl die Zukunftsperspektiven klar auf die „Angestelltengesellschaft“ verweisen. Dienstleistung im Bereich des Bildungs- und Gesundheitswesens, aber auch Serviceleistungen wie Steuerberatung haben von 1975 bis 1992 enorm zugelegt. Dort wiederum sind die Angestellten gewerkschaftlich unterrepräsentiert.
Die Gewerkschaften kümmern sich nicht genug um die Wünsche der hochqualifizierten Angestellten nach innerbetrieblicher Weiterbildung – und sie versäumen es, die Frauen bei ihrer Forderung nach flexiblerer Arbeitszeit zu unterstützen. Quer stellen sich auch konservative Unternehmen, die an starren Arbeitszeitregelungen festhalten. Nein, innovative Musterbetriebe gebe es in dieser Hinsicht in Bremen nicht, sagt Eberhard Fehrmann. Praktiziert werde Teilzeitarbeit zwar in großen Kaufhäusern, aber der am schlechtesten bezahlten Gruppe der Verkäuferinnen sei damit wenig gedient. Die Angestelltenkammer selbst setzt auf Gleitzeit. Ohne elektronische Arbeitszeitüberwachung (früher hieß das Stechuhr) vertraut sie dem unbekannten Wesen. S.L.
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