piwik no script img

„Angekettet wie Jesus am Kreuz“

■ Fuhlsbüttel: Gefangene erheben schwere Vorwürfe gegen Anstaltsleitung

Schon wieder werden schwere Vorwürfe gegen die Leitung der Anstalt I in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel erhoben. Der Insassenvertreter Andreas Caulier, der in den vergangenen Monaten mehrfach „Schikanen der Anstaltsleitung“ publik machte, soll am Montag morgen unter Gewaltanwendung in die Anstalt II verlegt worden sein. Mitgefangene berichten, er soll zusammen mit einem weiteren Insassenvertreter, Oliver Simon, in Handschellen abgeführt worden sein. Man wolle den Interessensvertretern der Gefangenen das Leben schwermachen und ihre politische Arbeit verhindern, glauben die Knackis.

Diesen Vorwurf weist Justizbehörden-Sprecherin Sabine Westphalen entschieden zurück. Wegen eines „starken Belegungsdrucks“ seien Caulier und Simon sowie 19 andere Strafgefangene verlegt worden. Die dabei angelegten Kriterien – mindestens ein Strafrest von eineinhalb Jahre sowie keine Gefährdung der eigenen oder anderer Personen – hätten auf die beiden eben zugetroffen. Außerdem könne der Vorwurf, die Anstalt drangsaliere Insassenvertreter, allein schon deshalb nicht stimmen, weil die Amtszeit von Caulier und Simon am 30. Juni abgelaufen sei; Neuwahlen seien für August geplant.

Das ist jedoch nicht der einzige Vorwurf gegen den Anstaltsleitung. Nachdem es bei einem „Strafrapport“ zu einer Schlägerei zwischen dem stellvertretendem Anstaltsleiter Jürgen Schmude und dem Gefangenen Helmut V. gekommen sein soll, habe man letzteren nicht mehr gesehen, berichten Insassen. Helmut V. sei seit Donnerstag in dem sogenannten „Beruhigungsraum“ auf einer Lederpritsche gefesselt. „Mit Ketten an Händen und Füßen wie Jesus am Kreuz“ würde man dort ruhiggestellt. Man könne sich weder bewegen noch auf die Toilette, so ein Gefangener.

Die Justizbehörde bestätigte, daß es vorige Woche zu einem gewalttätigem Vorfall gekommen ist. Der Häftling V. habe alle Fenster seiner Zelle zerschlagen und wäre deswegen zu zwei Wochen „Trennung von den anderen Gefangenen“ verdonnert worden, ließ sich Sprecherin Westphalen aus der Anstalt I berichten.

Darauf sei der so Disziplinierte „aggressiv geworden“, hätte „um sich geschlagen“ und einen Beamten „ernsthaft verletzt“: Wegen Hodenprellung, leichter Gehirnerschütterung und Rippenschmerzen sei der Vollzugsbeamte eine Woche dienstunfähig.

Daraufhin sei Helmut V. in der Tat an das Fesselbett im Beruhigungsraum gekettet worden, und weil er „weiterhin aggressiv“ gewesen sei, auch Freitag dort verblieben. Erst am Sonnabend habe man die Fesselung aufgehoben und ihn – noch immer im Beruhigungsraum – unter Beobachtung gestellt. Daß die Mitgefangenen ihn bis gestern noch nicht gesehen hatten, erklärt Westphalen damit, daß er ab Montag seine Disziplinarmaßnahme angetreten habe.

Außerdem bestätigte die Justizbehörde, daß ein Gefangener der Sicherheitsstation überraschend Selbstmord begangen hat.

Silke Mertins

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen