: Angebliche Bahnattentäter freigelassen
Im Prozeß gegen zwei der linken Szene zugerechnete angebliche Bahnattentäter besteht kein ausreichender Haftgrund/ Richter kündigt milde Strafen an/ Staatsanwaltschaft pocht weiter auf „dringenden Tatverdacht“ gegen die beiden Angeklagten ■ Aus Itzehoe Lisa Schoenemann
Der Prozeß gegen Knud Andresen und Ralf Gauger vor dem Landgericht Itzehoe begann gestern mit einer Überraschung: Die beiden Aktivisten aus dem Rote-Flora-Zentrum im Hamburger Schanzenviertel kamen aus der Haft frei. Die Haftbefehle wurden aufgehoben. Wie Richter Manfred Selbmann in einer kurzen Begründung der Großen Strafkammer 5 angab, bestünden keine ausreichenden Haftgründe. „Aufgrund des bisher Gesagten habe ich Zweifel an dem dringenden Tatverdacht des versuchten Mordes“, so Selbmann.
Andresen und Gauger wird vorgeworfen, am 29.Juli 1991 Betonplatten auf die Gleise der Bundesbahnstrecke Kiel-Hamburg gelegt zu haben. Laut Anklage sollte diese Aktion, bei der drei Zivilfahnder die beiden in Pinneberg beobachtet haben wollen, einen Zug zum Entgleisen bringen. Der Vorwurf der Anklagebehörde: versuchter Mord und gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr.
Die Angeklagten, die sich noch wenige Tage vor dem Anschlag auf die Deutsche Bundesbahn gegen die Räumung des umstrittenen Flora- Parks im Schanzenviertel gewehrt hatten, waren am Tattag festgenommen worden. „Wir sind angeklagt für etwas, das wir nicht gemacht haben, für das wir weder einen persönlichen noch politischen Grund hätten“, schreiben Andresen und Gauger in einer Erklärung zum Prozeßbeginn.
Ihre fünf Verteidiger hatten bei mehreren Haftprüfterminen versucht, den 24jährigen Tischlerlehrling und den 26jährigen Geschichtsstudenten freizubekommen. Die Staatsanwaltschaft pochte auch gestern auf einen „dringenden Tatverdacht“ gegen die Angeklagten.
Richter Manfred Selbmann hat gestern signalisiert, daß er „nach einer ruhigen Beweisaufnahme“ zu der Überzeugung kommen könnte, daß eine „geringe Strafe“ angemessen sei. Der Prozeß, der mit Auseinandersetzungen zwischen ZuhörerInnen und Polizei begann, wird am kommenden Montag fortgesetzt.
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