Lisa Schneider über die angekündigte Anerkennung Palästinas
: Staat ohne Konturen

Spanien, Irland und Norwegen möchten einen Staat Palästina anerkennen. Das ist per se keine schlechte Idee, steht doch der gesamte Westen noch immer zumindest offiziell hinter einer Zweistaatenlösung – und ein palästinensischer Staat ist nun mal ein Teil davon. Die Anerkennung zäumt das Pferd allerdings von hinten auf. Zu viele Fragen bleiben offen:

Welche Gebiete soll ein palästinensischer Staat umfassen? Das gesamte Westjordanland und den Gazastreifen – entlang der Grünen Linie von 1967? Die A-Gebiete, die bereits heute von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet werden, wie es die Osloer Abkommen festhalten?

Was soll mit den israelischen Siedlungen geschehen? Müssen sie rückgebaut werden, das Land in einen palästinensischen Staat überführt werden? Soll es einen Tausch von Gebieten zwischen Israel und den Palästinensern geben­, wie im Friedensplan des Ex-US-Präsidenten Donald Trump 2020 vorgeschlagen? Was passiert mit dem von Israel annektierten Ostjerusalem?

Kann eine Stadt zwei Staaten als Hauptstadt dienen? Und soll es innerhalb Jerusalems wieder Grenzkontrollen geben?

Sollte es für die 1948 aus dem heutigen Israel vertriebenen und geflohenen Palästinenser ein Recht auf Rückkehr geben? Sollen die über 1,5 Millio­nen palästinensischen Israelis ihre Staats­bürgerschaft wechseln können?

Was soll mit den politischen Kräften in Palästina geschehen, die – im Gegensatz zur PLO – bis heute Israel nicht als Staat anerkennen? Was passiert, wenn diese Kräfte – wie bereits 2006 mit dem Wahlerfolg der Hamas geschehen – das Ruder in Palästina übernehmen? Und: Soll Palästina ein demilitarisierter Staat sein? Oder das Recht auf eigene Streitkräfte haben?

Wie genau denn nun ein palästinensischer Staat aussehen soll, bleibt seit 30 Jahren ungeklärt. Spanien, Irland und Norwegen erkennen somit ein Konstrukt an, das formlos und diffus ist. Eine Anerkennung wird kaum konkrete Konsequenzen haben.

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