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Androzentriker- bürokratie

■ betr.: „Geschlechterbürokratie“ von Mathias Bröckers, taz vom 8.3.94

Mit der GLosse als abschließendem Beitrag zur Frauentaz hat sich die taz ein Eigentor geleistet. Der Autor dieser Zeilen bedient sich einer Art von angeblich kritischem Umgang mit dem Thema Gleichberechtigung, der Frauen bestens bekannt ist: Durch vermeintlichen Witz wird die praktische Umsetzung von Gleichberechtigung ad absurdum geführt und als lächerlich und gar „grauenhaft langweilig“ degradiert. Gleichberechtigung wird zum Gleichheitsdogma reduziert. Frauen, die sich gegen einen solch undifferenzierten Umgang mit dem Thema wehren, werden schnell in die Ecke der Humorlosen abgeschoben. Eine bequeme Art der vorauseilenden Kritikabschottung von Männern.

In der Satire spiegelt sich die bei Männern weitverbreitete, irrationale Angst vor einem Identitätsverlust als Folge der Lockerung strenger Rollenverteilung wider (Stichwort „Vermännlichung“ der Frau, „Verweiblichung“ des Mannes). Die Identität von Menschen wird damit auf die Geschlechtszugehörigkeit reduziert.

Bürokratie und Bürokratismus sind Ergebnisse einer androzentrischen Gesellschaft, die auf diese Weise männliche Machtstrukturen verfestigt und sich vor der „zersetzenden“ Kraft weiblicher Kreativität und Flexibilität abzuschirmen versucht. Wo Männer nicht verkrampft an patriarchalen Privilegien festhalten, wird auch „Geschlechterbürokratie“ überflüssig. Immerhin haben schon einige Männer erkannt, daß das Loslassen von einer Fixierung auf die gängige Rollenverteilung auch einen Gewinn für ihr Menschsein bedeutet.

Abschließend stellt der Autor die rhetorische Frage: „50 Prozent Frauen in den Führungsetagen und 50 Prozent Männer an den Kochtöpfen – und alles eitel Sonnenschein?“ Folglich bezweifelt er, daß sich im Verhältnis der Geschlechter zueinander auch bei Realisierung von Gleichberechtigung nichts zum Positiven ändern wird. Verbirgt sich hinter dieser Satire etwa ein für Bürokraten typisches Abblocken echter Alternativen – für Frauen und für Männer? Elisabeth Weber-Jasper, Singen

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