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Andreottis Kabinett - zum Gruseln

Zwielichtige und Mafiakumpel, Playboys und Nullnummern in Italiens neuer Regierung / Einzig der Gesundheitsminister kann Vertrauen einflößen / Konflikte sind bereits vorprogrammiert  ■  Aus Rom Werner Raith

Germano, der Fotograf, murmelt nur noch: „Ich schäme mich, Italiener zu sein.“ Franco von der Bar „Il Campanile“ fragt sich, „ob es dafür noch lohnt, die Demokratie zu verteidigen“. Silvio von der Bauschreinerei an der Via Mediana bringt die Sache so auf den Punkt: „Jetzt hat er sein Gruselkabinett zusammen.“

Verschreckt beobachten die Italiener, wie unverhüllt in der neuen Regierung des Altmeisters der Intrige, Giulio Andreotti, die bewährten Skandalträger der Nation zuhauf Machtpositionen besetzen. „Als ob nicht Andreotti schon gereicht hätte“, stöhnt Nando dalla Chiesa, Sohn des von der Mafia 1982 ermordeten Präfekten Carlo Alberto dalla Chiesa (den Andreotti nach Meinung vieler seinerzeit durch zwielichtige Erklärungen regelrecht zum Abschuß freigegeben hatte): „Nun hat er sich auch noch die Mannschaft nach dem Prinzip zusammengestellt: Je zwielichtiger, um so besser.“

Beispiele: Sein Vize, der stellvertretende Sozialistenchef Claudio Martelli, hat sich in Palermo letztens so unverhüllt mafiose Wahlhilfe gefallen lassen, daß selbst altgedienten Mauschelbrüdern die Augen übergingen; auch ist er in eine überaus undurchsichtige Rauschgiftaffäre in Kenia verwickelt. Im Innenministerium amtiert weiter der ständig unter dem Verdacht camorristischer Freundschaften stehende DC-Mann Antonio Gava; Staatssekretär im Außenamt wird der in diesem Bereich völlig enerfahrene, dafür aber höchst umstrittene ehemalige Staatsanwalt Claudio Vitalone, dem viele Pannen während der Entführung des DC-Parteipräsidenten Aldo Moro 1978 zuzuschreiben sind und der ansonsten, nach einem Urteil des Obersten Richterrats, sowieso „seine Posten jeweils durch Freundschaft mit Wirtschaftsmanagern und hohen Politikern erklommen hat“. Sein Ressortchef wird Gianni De Michelis sein - eine ebenfalls bewährte Nullnummer, diesmal aus der Sozialistischen Partei: Als er noch Arbeitsminister war, verscheuchten ihn die Werktätigen häufig mit Steinwürfen, weil er grundsätzlich nur mit konfusen Plänen anrückte. Außenpolitische Erfahrung hat auch er keine - es sei denn, die Begegnung mit exotischen Schönen, mit denen er sich gerne schwitzend in Nachtklubs ablichten läßt (worüber er sogar einen eigenen „Night-Führer“ verfaßt hat).

Einziger Silberstreif im Kabinett könnte der neue Gesundheitsminister De Lorenzo sein: Der liberale Biomediziner hatte vor vier Jahren das neueingerichtete Ökologieministerium aus dem Stand heraus durch Einbindung der Umweltschutzverbände so effektiv gemacht, daß ihn seine Kollegen erschreckt wieder absetzten. Doch nun, nach der Katastrophe mit dem bisherigen DC-Gesundheitsverweser Donat -Cattin (der nun als Industrieminister auch noch die Wirtschaft ruinieren darf), brauchen die Regenten wenigsten einen vorzeigbaren Saubermann im Kabinett. Folgerichtig präsentierte sich Andreotti zur gestrigen Vertrauensdebatte denn auch mit der bisher einzigen vorzeigbaren Sofortmaßnahme: der Rücknahme der harschen Vorauszahlungen für Krankenhausaufenthalte, die Donat-Cattin hinterlassen hatte.

Schweigen breitet die Regierung statt dessen über die bereits schwelenden schweren Streitpunkte - so die von De Lorenzo gewünschte Professionalisierung der Gesundheitsämter (deren Leitung bisher grundsätzlich von den lokalen Parteibonzen besetzt wird), vor allem aber die Abtreibungsfrage, wo Donat-Cattin einen weitgehenden Boykott praktiziert hat, sein Nachfolger aber eine „ideologiefreie Liberalität“ wünscht.

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