: Andrang aus dem Osten bleibt aus
■ Die Bewerberzahlen für die zulassungsbeschränkten Fächer an FU und TU liegen vor / Riedmüller wertet NC als politischen Erfolg, FU ist verärgert
West-Berlin. Die Befürchtungen, daß die Westberliner Hochschulen im Wintersemester einen Ansturm von DDR -StudentInnen erleben werden, haben sich nach den neuesten Zahlen aus den Immatrikulationsbüros nicht erfüllt. Wissenschaftssenatorin Riedmüller (SPD) veröffentlichte gestern eine Statistik, die Aufschluß über die Bewerberzahlen in den zulassungsbeschränkten Fächern der Freien Universität und der Technischen Universität gibt. Für sämtliche zulassungsbeschränkte Fächer ist die Bewerbungsfrist am 15.Juli ausgelaufen. Statt der befürchteten 10.000 haben sich lediglich 1.800 Bewerber aus dem Osten um einen Studienplatz bemüht, die Quote von DDR -StudentInnen bleibt in fast allen Fächern unter der von der Wissenschaftssenatorin angeordneten.
Wie berichtet, hatte Riedmüller auf die Einführung eines flächendeckenden Numerus clausus (NC) an beiden Hochschulen bestanden, um den von ihr in düsteren Zahlen beschworenen Ansturm zu verhindern. Neben den schon seit Jahren zulassungsbeschränkten Fächern kamen an der FU 15 geistes und sozialwissenschaftliche Disziplinen dazu, zulassungsfrei sind dort nur noch sogenannte Orchideenfächer. An der TU gibt es kein zulassungsfreies Fach mehr.
Insgesamt blieben die Anträge gerade für die Massenfächer Politologie, Philosophie und Soziologie weit hinter den Erwartungen zurück (Politologie: 660 mögliche Neuzulassungen, 498 Bewerbungen, davon 52 aus der DDR; Philosophie: 460 Plätze, 218 Bewerbungen, davon 24 aus der DDR; Soziologie: 330 Plätze, 223 Bewerbungen, davon 52 aus der DDR). Lediglich im Fach Germanistik, das sich als einziges an der FU von vornherein nicht gegen die Einführung des NC gewehrt hatte, lag die Zahl der Bewerber über der Kapazität (407 Plätze, 467 Bewerbungen, davon 78 aus der DDR). Nicht viel anders sieht die Sache bei den schon länger zulassungsbeschränkten Fächern aus: Die Renner bei Ost -Bewerbern waren hier Slawistik, Sonderpädagogik, Publizistik und Jura.
Die Quote der DDR-BewerberInnen liegt durchschnittlich unter 15 Prozent. Trotzdem bewertete die Wissenschaftssenatorin die Einführung des NC als „politisch erfolgreich“. „Die intensive Auseinandersetzung über einen Numerus clausus in besonders belasteten Studiengängen hat bewirkt, daß weniger StudentInnen aus der DDR nach West -Berlin geströmt sind“, erklärte Riedmüller. An der FU, die von vornherein gegen die Einführung des NC war, sieht man das ganz anders. Der Aufwand für die Abwicklung des Bewerbungsverfahrens, so der Leiter des Immatrikulationsbüros Lacher gegenüber der taz, sei riesig gewesen. Zusätzlich zum normalen Personal mußten Werkverträge abgeschlossen werden, um das umständliche Verfahren zu bewältigen. „Die Befürchtungen der Senatorin haben sich nicht erfüllt“, so Lacher. Zwar habe die Einführung von Beschränkungen auch in der Vergangenheit dazu geführt, daß viele StudentInnen davon abgeschreckt wurden, sich zu bewerben, ein Nachweis könne darüber aber nicht erbracht werden. „Es ist befremdlich, daß die Senatorin das als Erfolg ausgibt“, monierte auch ein Sprecher der FU. „Natürlich ist ein Abschreckungseffekt eingetreten, aber auch gegenüber West-BewerberInnen.“
An der TU liegt die Zahl der BewerberInnen aus der DDR im Durchschnitt ebenfalls unter der vereinbarten Quote. Besonders beliebt sind dort die Fächer Umweltschutz, Elektrotechnik und Maschinenbau, in denen als einzigen in Berlin die Bewerberzahlen aus der DDR über 30 Prozent ausmachen (Umweltschutz: 92 Plätze, 581 Bewerbungen, davon 90 aus der DDR; E-Technik: 416 Plätze, 403 Bewerbungen, 149 aus der DDR; Maschinenbau: 242 Plätze, 400 Bewerbungen, 117 aus der DDR). Durchschnittlich liegt die Quote jedoch weit unter 30 Prozent.
kd
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