: Anarchische Totengräber
In der Comedy-Serie „Drunter und drüber“ kämpfen die Mitarbeiter auf einem Friedhof mit dem täglichen Wahnsinn – und die Toten darunter kommentieren
Von Florian Schmid
Eigentlich war sich der stellvertretende Friedhofsleiter Heli Wondratschek sicher, nach dem Tod seines Vorgesetzten endlich Chef des Donnersbacher Friedhofs zu werden. Aber der fiese Amtsleiter Schönig (Edi Jäger) macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Er setzt stattdessen Ursula Fink (Julia Jentsch) als neue Chefin des kleinen Friedhofs im österreichischen Nirgendwo ein. Ganz einfach, um selbst die Mitarbeiterin loszuwerden, die so chaotisch ist, dass sie schon mal aus Versehen das Gemeindebüro in Brand setzt.
Die Amazon-Serie „Drunter und drüber“ ist ein rares Gut, denn deutschsprachige Comedy in dieser Qualität gibt es selten. Die acht Episoden mit jeweils knackigen 25 Minuten Länge erzählen vom Arbeitsalltag auf einem fiktiven österreichischen Friedhof. Der bis ins Mark gedemütigte Wondratschek (Nicholas Ofczarek) versucht, den ambitionierten (Vize-)Chef raushängen zu lassen und sabotiert fleißig seine neue Vorgesetzte. Die versteht sich aber recht gut mit den jeden Morgen einen Berg Krapfen verdrückenden Angestellten, die alle ihre skurrilen Eigenarten haben. Unter dem Friedhof befindet sich außerdem eine Art Vorhalle zum Jenseits, ein Warteraum mit Platzanweiserin im rosa Kostüm, in dem die Verstorbenen über Bildschirme das Treiben auf dem Friedhof verfolgen, das wie in einer Telenovela präsentiert wird.
So fröhlich-bizarr und absurd geht es selten zu im deutschsprachigen Serienbereich. Ältere Semester dürften sich noch an die ORF-Serie „Kottan ermittelt“ aus den 80ern erinnern, eine Art popkultureller Wiener „Tatort“ auf LSD. „Drunter und drüber“ hat ähnlich grotesk-anarchischen Charakter, inszeniert mit viel österreichischem Schmäh.
Egal ob es ums queere Techtelmechtel der Krematoriums-Angestellten mit einer Bestatterin geht oder um die salbungsvollen und meist peinlichen Grabreden der Floristin, deren Tochter eine Friedhofsphobie hat, oder um den Steinmetz, der so gar kein künstlerisches Gespür hat: Am Friedhof Donnersbach ist, wie der Titel schon andeutet, jede Menge los und mitunter herrscht blankes Chaos.
Da kann auch der schleimig-aggressive Wondratschek nichts dagegen ausrichten, der durch die Grabreihen defiliert und Ordnung schaffen will, indem er die Angestellten zur Sau macht. Nur dass die ihn eh nicht ernst nehmen und auslachen. Nachdem die neue Chefin Ursula Fink aus Versehen dann auch noch den Friedhof unter Wasser setzt und dadurch fast einer der Totengräber ums Leben kommt, scheint die Eskalation perfekt – bis sich herausstellt, dass der widerliche Amtsleiter Schönig den Friedhof wegen mangelnder Rentabilität sowieso abwickeln will.
„Drunter und drüber“ ist eine bitterböse Satire auf die Arbeitswelt, den öffentlichen Dienst und die kaum in Frage zu stellende Marktlogik, die vom Friedhofskollektiv, zu dem sich die Donnersbacher Chaoten schließlich zusammenraufen, subversiv unterlaufen wird. Um den Friedhofsbetrieb doch noch rentabel zu machen, ziehen die Angestellten ein Promi-Begräbnis inklusive Medienrummel an Land, womit sie aber völlig überfordert sind. Natürlich geht alles schief, aber diese liebevoll anarchische Serie lehrt uns, dass auch Scheitern erfolgreich sein kann.
Mit viel österreichischem Wortwitz und hingebungsvoll spielenden Schauspielern bietet „Drunter und drüber“ eine verblüffend flotte Serienunterhaltung mit beißend-schwarzem Humor. Mitarbeiter und Trauernde stolpern regelmäßig in offene Gräber, stoßen auf dem Friedhof gerne mal mit Sekt an, leben ihre romantischen Gefühle aus, geben ihrem sexuellen Begehren nach oder werden auch einfach mal vom Grabstein erschlagen. Trotzdem hat „Drunter und drüber“ – so viel sei verraten – fast so etwas wie ein Happy End.
„Drunter und drüber“, Amazon Prime
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