Analyse: Ja zur Koalition?
■ Bei den Grünen in NRW zeichnet sich wieder Mehrheit für Rot-Grün ab
Der Kurs der grünen Führung in Nordrhein-Westfalen wird klarer. Sicher ist, daß die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn und Parteisprecher Reiner Priggen auf ihrem Sonderparteitag am 17. Januar die Fortsetzung der Koalition empfehlen werden. Das machten beide am Samstag während einer nichtöffentlichen Versammlung von Grünen aus der Aachener Region deutlich. Das grüne Spitzenduo setzt darauf, die „Hebel“ des Umweltministeriums künftig gegen Garzweiler II nutzen zu können – auch nach der Zulassung des Rahmenbetriebsplanes für das Projekt durch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD).
Für die nun anstehenden Genehmigungsschritte zum Wasserrecht liegt die Fachaufsicht beim Umweltministerium. Höhn kann deshalb die beteiligten Behörden anweisen, die aus ihrer Sicht noch ungeklärten Wasserprobleme ergebnisoffen zu überprüfen. Über Einfluß verfügt sie in ihrem Amt außerdem bei der vorgesehenen Überprüfung der energiewirtschaftlichen und ökologischen Grundannahmen. Sollten sich hierbei wesentliche Änderungen ergeben, könnte der ab dem Jahr 2005 geplante Kohleabbau ohnehin nicht in dem beantragten Umfang stattfinden.
Für die Fortsetzung der Koalition plädierten am Samstag auch einige Sprecher aus den regionalen Anti-Garzweiler- Bürgerinitiativen. Heute will der grüne Landesvorstand, der mehrheitlich den Ausstieg präferiert, eine Beschlußempfehlung erarbeiten. Inzwischen geht es allerdings längst nicht mehr nur um das Streitobjekt Garzweiler II. Viele grüne Spitzenleute warnen gerade angesichts des plötzlichen Crash-Kurses von Clement vor einem Koalitionsende, weil ein Bruch vor allem dessen persönlichen Ambitionen diene.
Da Ministerpräsident Johannes Rau bei Neuwahlen nicht noch einmal anträte, fiele Clement die Rolle des Spitzenkandidaten quasi in den Schoß. Daß ihm diese Perspektive behagt, hat er inzwischen öffentlich eingeräumt: Während SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering das Reden über Neuwahlen als „schädlich“ brandmarkt, sind Neuwahlen für Clement ein „reizvoller Gedanke“. Ohne sie stünde die von ihm angestrebte Rau-Nachfolge tatsächlich weiter in den Sternen – selbst wenn Rau nach der Landtagswahl in Niedersachsen seinen Stuhl freimache. Ohne die Stimmen der Grünen bliebe ihm der Thron verwehrt. Von daher erklärt sich der „Reiz“. Zumal mit der Möllemann-FDP, die nach Neuwahlen lechzt, eine Alternative zu den ungeliebten Grünen in Aussicht steht. Weil ein solches Wiederbelebungsprogramm für die FDP auch so manchen koalitionsfrustrierten Grünen schreckt, könnte am Ende des Parteitages doch wieder eine Mehrheit für die Koalition herauskommen. Walter Jakobs
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