Ampel spart bei Ukraine-Unterstützung: Freiwilliges Händebinden
Weil Deutschland an der Schuldenbremse festhält, wird die Ukraine-Hilfe auf ein wackliges Konstrukt gestützt – und gegen soziale Projekte ausgespielt.
S eit Monaten steht er auf der deutschen innenpolitischen Agenda auf Platz eins: der Haushalt. Es war klar, es würde schwierig werden. Aufgrund der Weigerung der FDP, an der Schuldenbremse zu rütteln, war ebenfalls schon im Vorfeld klar, dass priorisiert werden muss – dass es unverrückbare Posten gibt und Dinge, bei denen man sich darauf verlässt, dass sich vielleicht noch etwas Kleingeld in der Sofaritze findet.
Vor dem Hintergrund, dass die Spitzen der deutschen Politik seit zweieinhalb Jahren ihren Wählern immer wieder erklären, dass die Unterstützung der Ukraine im ureigenen deutschen Sicherheitsinteresse ist, der beste Schutz vor Russland und obendrein noch moralisch richtig und völkerrechtlich eindeutig, würde man denken, die Ukraine stünde im Haushalt auf der Liste der festen Prioritäten.
Nun hat die Bundesregierung einen Haushalt im Kabinett beschlossen und es stellt sich bei näherer Betrachtung heraus: Ausgerechnet die Finanzierung der angeblich obersten außenpolitischen Priorität haben die Spitzen von FDP, SPD und Grünen auf besonders wacklige Beine gestellt. Dort ist zu lesen: Die Bundesregierung gehe davon aus, dass „die Ukraine mit Hilfe der von den G7 beschlossenen und sich in der Umsetzung befindlichen zusätzlichen Finanzhilfe im Umfang von circa 50 Milliarden US-Dollar einen wesentlichen Teil ihres militärischen Bedarfs decken wird.“
Das spiegelt sich im Rest des Haushalts wider, denn die Waffenhilfen für Kyjiw wurden fast um die Hälfte gekürzt. Die Mittel für humanitäre Hilfe werden ebenfalls halbiert – was Kyjiw als einen der größten Empfänger humanitärer Hilfe wiederum besonders trifft. Ähnliches gilt für die Kürzungen im Entwicklungsministerium, welche auch die Ukraine betreffen.
forscht am Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin zu sicherheitspolitischen Fragen mit Bezug auf Russland und die Ukraine. 2022 bis 2023 war sie für die EU-Beratungsmission in der Ukraine in Kyjiw tätig.
Die im G7-Kreis beschlossenen 50 Milliarden Dollar (ungefähr 46 Milliarden Euro) an Hilfe für die Ukraine sollen durch die sogenannten „windfall profits“ aus eingefrorenem russischem Vermögen abgesichert und zurückgezahlt werden. So solle Russland selbst für den Wiederaufbau der Ukraine zahlen. So weit, so gut.
Allerdings: Diese Pläne existieren derzeit nur auf dem Papier. Wie genau die Erträge genutzt werden können, muss erst einmal rechtlich geprüft werden. Es ist beispielsweise noch zu klären, was passiert, wenn aufgrund einer ausbleibenden Verlängerung der Russland-Sanktionen auf EU-Ebene – beispielsweise durch ein ungarisches Veto – eingefrorenes Vermögen aufgetaut wird und die erwarteten Profite ausbleiben. De facto macht Deutschland hiermit die gesicherte Unterstützung für die Ukraine von Orbáns Zustimmung abhängig.
Die Hilfen für die Ukraine wurden nicht ersatzlos gestrichen. Das allein ist beachtlich, gerade in Anbetracht der weiteren haushaltspolitischen Entscheidungen bei den Themen Außenpolitik und Verteidigung, die stark reduziert oder, im Fall des Verteidigungsministeriums, nicht wie gefordert aufgestockt wurden. Doch solange unklar ist, wann und wie die G7-Staaten das Geld tatsächlich mobilisieren, wäre der verantwortungsvolle Umgang mit den erwarteten Mitteln gewesen, diese als eventuellen „Bonus“ zu betrachten.
Reform der Ukraine-Hilfe verpasst
Weitere nötige Ukraine-Hilfen sind damit nicht garantiert. Und dies zu einem Zeitpunkt, an dem eine zweite Amtszeit von Donald Trump nach dem kürzlichen Attentat auf ihn so wahrscheinlich wie nie erscheint. Sein vor kurzem ernannter Kandidat zum Vizepräsidenten, J. D. Vance, vertritt prominent, dass Europa für seine eigene Verteidigung aufkommen muss und wirbt offen dafür, die Ukraine nicht länger militärisch zu unterstützen. Durch Joe Bidens Rückzug werden die Karten zwar neu gemischt – doch seit Monaten herrscht Konsens darüber, dass sich Europa auch unter einer erneuten demokratischen Präsidentschaft stärker an der eigenen Verteidigung und der Unterstützung der Ukraine beteiligen muss.
In einer solchen Situation die eigene Handlungsfähigkeit und Flexibilität zur Unterstützung der Ukraine auf unsicheren Boden zu stellen, ist grob fahrlässig. Natürlich kann man sagen: erst mal abwarten. Sollte Trump gewählt werden, wird über den Haushalt neu nachgedacht und möglicherweise weitere Unterstützung für die Ukraine freigegeben. Sollte das der Fall sein, setzte sich wieder einmal die Politik des letzten Drückers durch – obwohl es nach zweieinhalb Jahren an der Zeit wäre, die „Pakete“-Logik der Ukraine-Unterstützung in einen ständigen Fluss an Geldern und Militärmitteln umzuwandeln.
Berlin verspielt neu gewonnenes Vertrauen
Somit sendet Berlin mit diesem Haushalt ein fatales Signal in die EU und darüber hinaus: Auch die Bundesregierung stellt am Ende, wenn es Spitz auf Knopf kommt, andere Prioritäten über die Ukraine-Unterstützung. Damit verspielt Deutschland wieder Vertrauen, das in Kyjiw, im Baltikum und in Polen nach Jahren völlig fehlgeleiteter Russlandpolitik erst langsam wieder entstanden ist.
Und auch im Kreml lehnt man sich wieder entspannt zurück, bestätigt in der Annahme, dass die Entschlossenheit der westlichen Unterstützung der Ukraine ein Verfallsdatum hat. Auch von Berlin hängt ab, wie der russische Angriffskrieg weitergeht; nun bindet sich die Bundesregierung freiwillig die Hände.
Es war klar: Dieser Haushalt wird niemanden zufriedenstellen und komplizierte Abwägungen erfordern. Aber dieser Befund führt zur Frage zurück, warum in einer Zeit, in der die Schienen marode und Krankenhäuser unterfinanziert sind, während die Klimakrise fortschreitet, sich die Bundesregierung eines der kreditwürdigsten Länder der Welt solche Fesseln anlegt.
Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form führt so zu einer an Zynismus kaum zu überbietenden Debatte, in der suggeriert wird, man müsse sich eben entscheiden zwischen stabilen Renten und dem Schutz ukrainischer Kinderkrankenhäuser. Wer sowohl in Sicherheit leben möchte, als auch Rente beziehen, zieht den Kürzeren. Das ist einfach nur verantwortungslos.
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