Ampel-Verhandlungen über Bundeshaushalt: Grüne leise, Rote laut
Die SPD macht im Etat-Streit öffentlich Druck. Die Grünen stehen ihnen in der Sache nahe, verzichten aber auf steile Äußerungen. Woran liegt das?
Kurz vor der Entscheidung über den nächsten Bundeshaushalt steigt damit noch einmal der öffentliche Druck aus der SPD. Mitte nächster Woche, so der bisherige Plan, soll das Kabinett den Etatentwurf beschließen. Bisher gab es in den Verhandlungen aber keinen Durchbruch. Die FDP unter Christian Lindner will Steuern senken und gleichzeitig an der Schuldenbremse festhalten. Grüne und SPD dagegen wehren sich gegen massive Kürzungen quer durch die Ressorts.
Wobei: Öffentlich sind es eben vor allem die Roten, die erbittert vor einem Sparhaushalt warnen. Die Parteilinken vom Forum DL21 haben ein Mitgliederbegehren gegen Kürzungen auf den Weg gebracht. Parteichefin Saskia Esken warf dem Finanzminister vor, mit seinem „rigiden Sparkurs“ einen „historischen Fehler“ zu begehen.
Zahm klingt im Vergleich dazu Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag nach der Vorstandssitzung ihrer Partei. Auch sie fordert zwar, die Schuldenbremse akut nicht zu eng auszulegen und sie langfristig zu reformieren. Sie sagte aber auch: „Ich würde mir wünschen, dass sich nicht alle öffentlich ihre eh schon bekannten Positionen um die Ohren hauen.“
Zu defensiv treten die Parteivorsitzenden in dieser Frage auf, sagen manche Grüne. Ein Vorbild sollten sie sich an der Bundestagsfraktion nehmen, die sich kontinuierlicher gegen die Schuldenbremse positioniere. Allein ist die Parteispitze damit allerdings auch nicht: Ob Abgeordnete, Basis oder Parteijugend – im Vergleich zur SPD wirken in diesen Tagen alle zurückhaltend.
Ein Bündel von Gründen
Das könnte damit zu tun haben, wie die beiden Parteien ihre Niederlagen bei der Europawahl verdauen. Zwar sind auch die Grünen ernüchtert über ihre Verluste. Fehlersuche und Strategiedebatte laufen. Dazu kommt aber eine gewisse Gelassenheit. Wer sich noch an Wahlergebnisse um 8 Prozent erinnert, kann mit 12 Prozent halbwegs leben. Wer wie die SPD das Selbstverständnis einer Volkspartei mit sich herumträgt, hat mit 14 Prozent ein größeres Problem. Entsprechend ausgeprägter ist die Unruhe unter den Sozialdemokrat*innen.
Und entsprechend stärker ist in der SPD nach der Wahl auch der Wunsch, wieder mehr Profil zu zeigen. Dieses Anliegen gibt es zwar auch unter Grünen. Dort dominiert aber immer noch das Bestreben, sich nicht zu öffentlich mit den Koalitionspartnern zu streiten – zum einen, weil die Öffentlichkeit das nicht honoriere, und zum anderen, weil die FDP dann erst recht auf stur schalten könnte.
Gleichzeitig ist bei den Grünen das Vertrauen in ihren Verhandlungsführer Robert Habeck weniger niedrig als das der SPD in Olaf Scholz. Intern wurde zwar auch der grüne Vizekanzler in den letzten Wochen wiederholt gemahnt, es mit seiner Kompromissbereitschaft nicht zu übertreiben. Inhaltlich gibt es aber zumindest keinen großen Dissens: Öffentlich hat sich Habeck immer wieder gegen die Schuldenbremse ausgesprochen. Der Kanzler dagegen hat sich in Interviews teilweise hinter Lindner gestellt. Man stärke Scholz in den Verhandlungen den Rücken, heißt es in der Erklärung der SPD-Flügel vom Montag. Genauso gut hätte dort aber wohl stehen können: Man nordet ihn ein.
Und schließlich: Die gravierendsten Kürzungen verlangt Christian Lindner von SPD-geführten Ressorts wie dem Arbeits-, dem Innen- und dem Entwicklungsministerium. Bei den Grünen trifft es massiv dagegen nur das Auswärtige Amt von Annalena Baerbock. In anderen Fragen beklagten die Grünen in der Vergangenheit oft, sie stünden in der Ampel alleine da – aus der SPD bekämen sie gegen die FDP keine Unterstützung. Eine rot-grüne Solidarität hat sich in der Ampel nie ausgebildet. Also ist unter Grünen jetzt auch keine große Lust zu verspüren, sich öffentlich für SPD-Leute zu verkämpfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen