: Amoklauf durch die Lindenstraße
■ Der Hamburger Thorsten Kirves präsentiert auf dem Fantasy Filmfest seinen Meta-Thriller „Cut“
Für eine kurze Zeit war die Lindenstraße nicht mehr das, was sie war. Nein, nicht die aus dem Fernsehen, sondern die hier in St. Georg. Dort wanderte Mitte letzten Jahres ein gut gekleideter Mann mit ausgestrecktem Arm durch die Straße. In seiner Hand steckte ein Schießeisen Marke 45er, und er schoß. Nicht einmal, nein, sechsmal. In die Luft, in den Hauseingang, direkt auf Passanten. Dann der rettende Ruf: „Cut!“ Die Klappe fällt, alles nur Film. Regisseur Thorsten Kirves machte dieser beängstigenden Szene ein Ende. Ein kurzes Wort wie „cut“ machte alles wieder klar. Und genau darum geht es in dem gleichnamigen Kurzfilm. Der 35jährige Filmemacher erzählt darin die Geschichte des Schauspielers Paul (Ralph Herforth), der nicht mehr zwischen Film und Realität unterscheiden kann.
Die erste Szene ist noch eindeutig: Ein keuchender Glatzkopf bedroht eine ans Bett gefesselte Frau mit einem Skalpell. Unmittelbar bevor er sein Opfer zerschneiden kann, stürmt Retter Paul ins Zimmer und streckt den Unhold mit einem gezielten Kopfschuß nieder. Der Regisseur im Film schreit sein „Cut!“, und die Szene ist im Kasten. Ein Film im Film also. Die Ebenen werden immer unklarer, Paul verliert die Orientierung. Was ist Leben, was Fiktion? Kein Ruf mehr da, der ihn retten könnte. Zum Schluß, nachdem er einen frustrierenden Quickie mit einer blonden Schönheit hingelegt hat und Kindern Koks andrehen wollte, dreht Paul durch und geht um sich schießend durch die Lindenstraße. Kein „Cut!“ Am Ende sitzt Paul leeren Blickes auf einer Bank.
„Ich wollte vermeiden, zu erklären, ob da nun der echte Paul oder der Schauspieler sitzt. Für mich ist seine Figur eher eine Hülle, die frei zu besetzen ist“, sagt der gelernte Kameramann. Realisieren konnte Kirves den 14minüter durch die Unterstützung der Filmförderung Hamburg, die einen Großteil der 80.000 Mark Kosten übernahm. Herforth und Nina Petri sowie große Teile des Teams haben zudem auf Gagen verzichtet. Cut bedient sich unterschiedlicher, wenn auch verwandter Genres. Das Personal stammt aus dem Thriller, doch alles wird auf eine Meta-Ebene gehoben. Routiniert und intelligent.
Oliver Rohlf
Heute abend läuft „Cut“ als Vorfilm von „Body Count“ (20.30 Uhr) im Cinemaxx.
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