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Amnesty: Tschetschenen vermehrt abgeschoben

Zwei tschetschenische Asylbewerber in Berlin in Abschiebehaft genommen. Auswärtiges Amt formuliert Berichte offenbar bewusst schwammig

BERLIN taz ■ Amnesty international (ai) liegen Hinweise vor, dass derzeit gehäuft abgelehnte Asylbewerber tschetschenischer Herkunft nach Russland abgeschoben werden. Während noch im vergangenen Jahr kaum tschetschenische Flüchtlinge zwangsweise in die Russische Föderation gebracht worden seien, habe man seit Beginn dieses Jahres bereits Informationen über drei Abschiebefälle, erklärte die Berliner Europareferentin von ai, Imke Dierßen. Man stehe anscheinend bei der Abschiebepraxis der Behörden vor einer „neuen Qualität“. Im Jahr 2001 beantragten über 4.200 russische Staatsbürger in Deutschland Asyl – etwas mehr als 70 von ihnen mit Erfolg. Die Mehrheit dürften Tschetschenen sein.

Nach Informationen des Berliner „Tschetschenischen Solidaritätskomitees“ wurden zwei abgelehnte Asylbewerber in den vergangenen Tagen in Abschiebehaft gebracht. Den Angaben eines Komiteesprechers zufolge sollte einer von ihnen, Tamirlan Orzuew (26), gestern gegen Abend nach Russland ausgeflogen werden. Etwa 50 seiner Landsleute demonstrierten vor der Berliner Innenverwaltung gegen die geplante Abschiebung.

Für Tschetschenen gebe es in Russland derzeit die Gefahr, allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit Übergriffe zu erleiden – auch dann, wenn sie überhaupt nicht in ihrer Heimat gekämpft hätten, erläuterte Imke Dierßen. Angesichts der andauernden Kämpfe in Tschetschenien seien die Abschiebungen „sehr besorgniserregend“. Dabei beriefen sich deutsche Gerichte und Behörden häufig auf die „Ad-hoc-Berichte“ des Auswärtigen Amtes (AA) über die Lage in Tschetschenien. Diese Lageeinschätzungen aber seien wohl bewusst verschieden auslegbar. Deshalb würden die AA-Berichte je nach Behörde und Gericht entweder zur Genehmigung oder zur Ablehnung der Asylanträge tschetschenischer Flüchtlinge genutzt.

Laut einer amnesty-Expertise vom Herbst vergangenen Jahres gilt ein „erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung“ auch für „Personen kaukasischer Abstammung, die sich nicht kämpferisch oder politisch in der Tschetschenienfrage engagiert haben oder engagieren“. Man müsse Rückschlüsse auf eine „allgemeine Rückkehrgefährdung“ abgelehnter Tschetschenen schließen – und das nicht nur in Tschetschenien, sondern in ganz Russland. PHILIPP GESSLER

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