: Amerikanische Idee
Mit Billigtarifen lockt ein Hamburger Unternehmen Zuschauer wieder in die Kinos ■ Von Joachim Göres
Cineasten, Studenten, Sozialhilfeempfänger – sie alle strömen seit September im Berliner Stadtteil Marzahn ins Sojus. Die einen freuen sich, ihre Lieblingsfilme zum zweiten oder dritten Mal anzuschauen, die anderen können sich wegen chronischer Geldknappheit Kinovergnügen nur im Sojus leisten. 2,50 Mark kostet hier der Eintritt für alle gezeigten Filme. Eine Kinokette aus Hamburg macht es möglich: Die „Kino!Kino!Entertainment GmbH“ betreibt mittlerweile in Berlin, Bremerhaven, Kiel, Duisburg, Dortmund und Chemnitz Kinos, in denen relativ neue Filme für ganze 250 Pfennig Eintritt aufgeführt werden.
Die Resonanz ist überall gleich. Im Chemnitzer Metropol lief vor kurzem der mit drei Oscars gekrönte Film Das Leben ist schön von Roberto Benigni oder Reine Nervensache mit Robert De Niro, derzeit zieht der Science-Fiction-Erfolg Matrix die Massen vor die Leinwand. „Wir bringen Filme, die die großen Kinos nicht mehr spielen und die noch nicht auf Video zu sehen sind“, sagt Metropol-Leiter Siegfried Tippman. Im Schnitt sind sie vier Monate alt.
Trotz des niedrigen Preises ist das Kino auf dem neuesten technischen Stand. Für Tippmann ist Billig-Kino eine geniale Idee. „Den Preis gleichen wir durch die große Zahl der Zuschauer leicht wieder aus.“ Alleine in der letzten Woche kamen knapp 5000 Besucher in den einzigen Metropol-Saal, in dem täglich drei, am Wochenende vier Vorstellungen laufen – darunter immer ein Kinderfilm. Von den 340 Plätzen im Metropol ist im Schnitt pro Vorstellung etwa jeder zweite belegt, Multiplexe kommen dagegen nur auf rund 20 Prozent Auslastung.
Je mehr Zuschauer, umso mehr kann der Kino-Betreiber für die Reklamespots vor dem Film von den werbenden Unternehmen verlangen. Weitere Einnahmen kommen durch den gestiegenen Verzehr herein. „Die Leute sagen sich: Ich habe fünf Mark dabei, da kann ich mir noch 'ne Cola gönnen“, so Steffen Wietek, Pressesprecher von Kino!Kino!. Sein Unternehmen hat vor zwei Jahren in Bremerhaven mit dem Billig-Kino begonnen und betreibt mittlerweile bundesweit insgesamt zehn 2,50 Mark-Kinos.
Und was sagt die Konkurrenz? „Bei uns in Chemnitz waren sie anfangs arrogant und haben gedacht, so etwas klappt sowieso nicht. Seit diesem Monat sind sie selber drastisch mit den Preisen runter, weil ihnen die Leute weglaufen“, erzählt Tippmann. Auch in Berlin haben mittlerweile andere Kinos reagiert und verlangen für eine Eintrittskarte nur noch fünf Mark.
Die Idee stammt aus den USA: Pro Film bezahlen die Besucher einen Dollar. „Mit den Filmverleihern haben wir normale Konditionen. Unser Prinzip lautet: vier für zehn Mark. Durch unser Angebot kommen Gruppen und Familien verstärkt ins Kino“, freut sich Wietek. Ihnen werden bis Ende des Jahres noch Filme wie Message in a bottle, Notting Hill oder Wild Wild West geboten. Von Stadt zu Stadt variiert das Angebot, ganz nach Publikumsgeschmack. „In Chemnitz und Kiel laufen deutsche Filme gut, in Bremerhaven und Duisburg steht das Publikum mehr auf Action-Titel“, sagt Wietek.
Für ihn steht dieses Konzept in Deutschland erst am Anfang: Alte Filmtheater mit meist nur einem Saal und einer großen Leinwand werden in Universitätsstädten mit einem großen Einzugsbereich aufgekauft, die Technik wird erneuert, die Zuschauer kommen bei dem Preis fast von alleine. Billig-Kino also auch bald in Hamburg? „Es sind noch viele Städte möglich, in die wir gehen möchten“, sagt Wietek vage. Wo genau sein Unternehmen demnächst die Preise purzeln lassen will, verrät er nicht. Und auch den Umsatz von „Kino!Kino!“, einer Tochterfirma der „Union Kino Betriebsgesellschaft“, der in ganz Deutschland 150 Filmtheater gehören, behält Wietek für sich. Eines schließt er aus: Brandneue Filme weden auch in Zukunft nicht für 2,50 Mark zu sehen sein.
Wie dem auch sei: Gerade für kleine Kinos könnte der neue Trend eine Chance sein. Das Sojus in Marzahn, zuvor im Besitz der Ufa, hatte nämlich wegen geringer Zuschauerzahlen schon dichtgemacht. Viele Besucher waren ins neueröffnete Marzahner Multiplex-Kino abgewandert. Jetzt kommen sie wieder zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen