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■ Nachschlag„American Psycho“ – Harald Schmidt las im Gorki Theater

Seinen ersten Auftritt hatte Harald Schmidt schon am späten Nachmittag im Flughafen Köln-Bonn. Im Warteraum zum Flug nach Berlin ging ein Raunen durch den Raum: Ist er das nicht? Aha, er trinkt schwarzen Tee. Und was liest er die ganze Zeit?

Seinen Lieblingsroman „American Psycho“ von Bret Easton Ellis, aus dem er Montag abend im Gorki Theater vortrug. „Ein manchmal wirklich hartes Buch“, plauderte der Entertainer. Was er zum besten gab, war zunächst ganz harmlos und „nett“, die „grausamen Szenen kommen später“. Noch ein paar Witze („Leider ist das Buch nicht von mir“), dann las er zwei Stunden.

Erzählt wird die Geschichte des Investmentbankers Patrick Bateman aus New York. Er ist ein klassischer Yuppie. Stetes Training für den „Hardbody“, trendy und sündhaft teuer essen. Schöne Frauen ausführen, ficken, Drogen, fernsehen und so. Seitenlang erzählt Ellis mit Mut zur Langeweile von den Designerklamotten Batemans. Aber der nette Patrick ist Psychopath, der in Serie Huren, Penner und auch Kinder meuchelt, sie mißhandelt und zerhackt.

Von Äußerlichkeiten erfahren wir alles, vom Ego des Killers nichts. Das löst sich in den Markenartikeln auf wie Aspirin im Wasser. Die teuren Bars sind ja auch wirklich eher von Joop-Jacketts und Chanel-Kostümen bevölkert als von Charakteren. Ellis kämpft gegen die Markennamen-Philosophie mit den Wörtern des Schreckens, der Angst, die wohl niemals zu Markenzeichen verkommen werden. Mit wenig Chancen: „Kein Ausweg“ endet der Roman.

Tja, und Schmidt? Der Grimme-Preisträger sollte öfter in seiner Show vorlesen. Das macht er klasse. Es gab viel zu lachen, auch noch, als die ersten wegen der „grausamen“ Szenen gingen. Da amüsierte sich die Hälfte des Publikums: Das Bolzenschußgerät nagelt eine Frau auf die Bretter, die Zunge wird rausgeschnitten etc. „Die lachen ja wirklich immer noch“, entfährt es einer Dame.

Schmidt und Ellis sind Geistesverwandte. Beide geliebt und angefeindet zugleich. Schmidt erzählt seine Polen- und sonstigen Minderheitenwitze, ist aber kein Rassist oder Menschenfeind. Ebensowenig wie Ellis Psychopath. Schmidt verhandelt die Schrecken der alltäglichen Grausamkeiten. Da wird es Zeit, daß er Ellis in seine Show lädt und es zum Gipfeltreffen der Kämpfer für das Gute kommt. Andreas Hergeth

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