American Football League in München: Wippen und Werben
Der 21:16-Erfolg der Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks in München ist zweitrangig. Wichtig ist die Stimmung und der Wachstumsmarkt.
Die knapp 70.000 Zuschauer in der ausverkauften Münchner Arena sangen einfach weiter, obwohl keine Musik mehr aus den Lautsprechern schallte. Doch a cappella entfaltete das Lied „Take me home, Country Roads“ erst recht seine stimmungsvolle Wirkung. Weil die Menschen auf den Tribünen dazu auch noch überall ihre Handylichter schwenkten, sah es beim Blick ins Publikum aus, als schaue man in einen Himmel voller tanzender Sterne.
Spätestens in diesen Momenten am Sonntagabend, kurz vor dem Ende des ersten Ligaspiels der National Football League (NFL) in Deutschland, durfte die Premiere zwischen den Tampa Bay Buccaneers und den Seattle Seahawks als voller Erfolg gelten. Der Gesang der Fans, die wippenden Lichter auf den Tribünen und unten auf dem Rasen die stauenden Spieler über diese ganz besondere Stadionatmosphäre beim American Football: Es war, als erlebe München einen Hauch von Super Bowl und die NFL genau jetzt ihren Touchdown in Deutschland, den Höhepunkt ihres Debüts.
Hinterher schwärmte sogar Tom Brady, der in seiner bemerkenswerten Karriere schon sehr viele besondere Momente erlebt hatte. „Das war eine der großartigsten Football-Erfahrungen, die ich je gemacht habe“, sagte der 45-jährige Quarterback der Buccaneers dort, wo sonst die Fußballer des FC Bayern in der sogenannten Mixedzone mit den Reportern sprechen, diesmal aber Football-Fans auf ein Foto mit Brady warteten.
Der US-Superstar ordnete seine Begeisterung über das NFL-Spiel nun gleich selbst ein: „Dafür, dass ich seit 23 Jahren in der Liga bin, sagt das eine Menge aus. Die Fans waren unglaublich.“ Und er erinnerte daran, dass er außerhalb der USA bereits in Londons Wembley-Stadion und in Mexiko-City gespielt hatte: „Das war alles toll, aber das hier hätte nicht besser sein können.“
Schon davor unvergesslich
Brady hat allein sieben Mal den Super Bowl gewonnen, er wird als „GOAT“ gefeiert, als bester Quarterback der Geschichte. Doch jetzt staunte sogar er, was das Publikum alles vor, während und nach dem 21:16-Sieg der Bucs gegen die Seahawks veranstaltet hatte. Man konnte Bradys Begeisterung tatsächlich nicht als typisch amerikanische Übertreibung abtun, als überbordend höflich den Gastgebern gegenüber. Natürlich hatte er auch schon vor dem Spiel davon gesprochen, dass dieser Auftritt unvergesslich werden würde.
Das passte zur Diktion des NFL-Marketings, das selbstverständlich völlig unbescheiden ein „historisches Event“ angekündigt hatte. Doch erstens war Brady mit seiner Euphorie auch danach bei weitem nicht allein. „Was für ein Spektakel“, schwärmte der noch deutlich erfahrenere Seahawks-Headcoach Pete Carroll, 71, „so etwas habe ich noch nicht erlebt, eine großartige Atmosphäre“.
Bradys Teamkollege, der Wide Receiver Julio Jones, 33, machte dem Publikum sogar gleich mehrere Liebeserklärungen. „Ich liebe die Energie in Deutschland“, sagte Jones, „ich liebe die Fans, die Stimmung.“ Und zweitens war ja nicht allein das Spiel, sondern waren die vergangenen Tage in München zu einer wirklich bemerkenswerten Football-Party geworden, mit einer Stimmung bei den diversen Werbeveranstaltungen in der gesamten Innenstadt irgendwo zwischen Happening, Karneval und Oktoberfest. Das setzte sich am Sonntag auch vor und in der Arena fort.
„Die Stimmung war überragend. Als sie am Ende ‚Sweet Caroline‘ und ‚Country Roads‘ gesungen haben, das war episch. Jeder, der hier war, hat für den Rest des Lebens unfassbare Erinnerungen“, sagte Brady. Er beschrieb die Stimmung als „elektrisierend“. Aus Sicht der NFL hätte die Punktspiel-Premiere in Deutschland kaum besser laufen können.
Der US-Markt gilt als gesättigt, Wachstum versprechen sich die Amerikaner vor allem in Europa und besonders in Deutschland. Schon jetzt wird im Hintergrund daran gewerkelt, die bisherige Vereinbarung bis 2025 zu erweitern. Bislang waren bis dahin noch drei Spiele in Deutschland geplant, zwei davon sollen in Frankfurt am Main stattfinden und ein weiteres in München. Doch der NFL-Chef Roger Goodell deutete bereits am Samstag an, dass es mehr Spiele in Deutschland geben könnte: „Ich wäre nicht überrascht, wenn das bald ausgeweitet werden würde.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz