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Amateure wollen Profis werden

■ Riesen-Koalition einigt sich auf Abschied vom Feierabendparlament / Verfassungsausschuß spart Diätenfrage vorläufig aus Von Uli Exner

Markus Wegner brachte die Botschaft auf den Punkt: „Demokratie kostet nun mal Geld“, resümierte gestern der selbsternannte Statt-Streiter wider die Politikverdrossenheit und erntete damit ein zustimmendes Kopfnicken seiner Mitstreiter aus SPD, CDU und GAL. Die vier Parlamentsfraktionen hatten sich am Wochenende im Verfassungsausschuß der Bürgerschaft auf die Grundzüge einer neuen Gehaltsregelung für Abgeordnete geeinigt. Danach sollen die Volksvertreter ab 1997 die Chance bekommen, ihren Parlamentsjob auch hauptamtlich auszuüben.

Wie hoch dieses Gehalt sein wird, und ob der Abschied vom mit 1900 Mark netto entschädigten Rathaus-Ehrenamt dereinst auch tatsächlich verwirklicht werden kann, ließen die Herren Elste (SPD), Kruse (CDU), Schmidt (GAL) und Wegner gestern noch offen. Zum einen, weil sich angesichts knapper Haushaltskassen derzeit keiner von ihnen in eine öffentliche Diätendiskussion stürzen will. Zum anderen, weil der am Wochenende ausgehandelte Kompromiß juristisch noch auf recht wackligen Beinen steht.

Die künftigen Bürgerschaftsabgeordneten, so setzten es CDU und Teile der SPD durch, sollen nämlich per Verfassung nicht zum Polit-Profitum gezwungen werden, sondern die Wahl zwischen Teilzeit- und Vollzeittätigkeit im Parlament haben. Mit entsprechend unterschiedlichen Gehältern – im Gespräch sind rund 7000 Mark für Vollzeit-Parlamentarier und rund 4000 Mark für diejenigen, die gleichzeitig einen Beruf ausüben. Eine Regelung, die dafür sorgen soll, daß Besserverdienenden die Lust aufs Parlament nicht vollständig vergeht, weil sie mit kräftigen Einkommensverlusten verbunden wäre. Ob diese Spaltung des Parlaments in Vollprofis und Beinahe-Amateure allerdings mit der (bundesdeutschen) Verfassung vereinbar ist, mit dieser Frage müssen sich jetzt erst einmal die Juristen rumschlagen.

Vom Ergebnis der Paragraphen-Wälzerei wird auch abhängen, ob eine zweite Neuerung für den Hamburger Polit-Alltag eines Tages von der Bürgerschaft verabschiedet wird: Die Unvereinbarkeit von Parlamentsmandat und gleichzeitiger Tätigkeit im öffentlichen Dienst, auf die sich die vier Parteien gegen erheblichen Widerstand in den Reihen von SPD und CDU ebenfalls verständigt haben.

Kein Wunder also, daß Wegner, Vorsitzender des Verfassungsausschusses, gestern trotz parteiübergreifenden Jubels „noch eine gewaltige Arbeit, die vor uns liegt,“ ausmachte. Dazu wird auch die Einteilung der Hansestadt in Wahlkreise gehören. Entgegen der bisherigen Regelung – alle 120 Abgeordneten werden per Listenwahl ausgeguckt – soll ab der nächsten Bürgerschaftswahl 1997 die Hälfte der Parlamentarier direkt gewählt werden.

Das Reformpaket, zu dem auch die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden gehört, soll Ende des Jahres von der Bürgerschaft verabschiedet werden. Die dazugehörigen Gehaltszahlen darf danach eine „unabhängige Diätenkommission“ festlegen.

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