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Am Pariser Platz zu wenig Umsatz

Seit dem Jahreswechsel trifft sich „Theodoras Literatursalon“ im Arkona-Filmtheater

Darf man heutzutage noch Manifeste verkünden? Über diese Frage wird nun schon seit über 15 Minuten debattiert. Neue Argumente sind nicht mehr in Sicht, und so beendet Katrin Girgensohn das verbale Gefecht um das „Lyrik-Manifest, ausgegeben auf den 3. Jänner 2000“: „Ich denke, wir sollten dann mal zum nächsten Text übergehen. Wer möchte, kann sich ja anschließend noch in privater Runde mit dem Thema befassen.“ Im Arkona-Filmtheater ist Premiere, allerdings nicht auf der Leinwand: Vorne im Café versammeln sich gut 20 Besucher, um an der ersten Sitzung von „Theodoras Literatursalon“ teilzunehmen. Wer will, kann hier auf dem roten Sofa mit dem kleinen Lesetisch Selbstgeschriebenes vortragen oder sich im Anschluss an eine Lesung sozusagen literaturkritisch äußern.

Einige der Salongäste kennen sich bereits aus dem Theodor Tucher am Pariser Platz. Im vergangenen Jahr hatten Katrin Girgensohn und Andrea Schütz in der Nobel-Gaststätte im Schatten des Brandenburger Tores einen literarischen Zirkel geleitet. Als sich herausstellte, dass mit den Salongästen nicht der erwartete Umsatz eingefahren werden konnte, kühlte die Literaturbegeisterung der Restaurantleitung allerdings merklich ab, und mit leichten Veränderungen geht es deshalb 2000 im Café des Arkona weiter. Zur ersten Sitzung in der Wolliner Straßen kamen die meisten der regelmäßigen Gäste wieder, und einen Teil des Publikums kann man regelmäßig in der Kreuzberger „Literaturwerkstatt“ Nepomuk Ullmanns oder dem „lauter niemand“-Forum in Mitte antreffen.

„Theodoras Literatursalon“ gibt sich nicht ganz so esoterisch wie die etablierteren Literaturzirkel: Am Chamissoplatz, wo Ullmann seit bald 27 Jahren in sein Privatdomizil lädt, und auch im „eschloraquerümschrümp“, wo das „lauter niemand“-Forum bei schummriger Beleuchtung im zweiten Hinterhof der Rosenthaler Straße tagt, sind Neulinge nicht wirklich willkommen. Wer dorthin will, muss den Weg schon sehr genau kennen. Anders im Arkona: Das kleine Café samt Kino ist kaum zu übersehen. Die Diskutanten sitzen nicht im stillen Kämmerlein, sondern auf einer vom Kino-Foyer sowie von der Straße gut einsehbaren Bühne.

Eine strenge Liturgie gibt es natürlich trotzdem, und anlässlich des Umzugs haben die Gastgeberinnen gar einige Änderungen vorgenommen. So wird im Arkona nun zu Beginn der Veranstaltung ein nicht selbst verfasster Text vorgetragen. Einzige Bedingung: Es muss sich dabei um eine Auseinandersetzung mit Sprache handeln. Literatur eben, das dürfte wohl nicht so schwierig sein. Noch immer wird zum Abschluss des Abends von allen Anwesenden unter den Vortragenden ein Siegerausgesucht, der, anders als im Tucher, allerdings seinen Text nicht noch einmal vorlesen darf. Dafür gibt es jetzt einen Preis – eine Kinokarte, auch okay –, und sofern der Autor keinen Widerspruch einlegt wird sein Text eine Woche lang im Arkona ausgehängt.

Wer in „Theodoras Literatursalon“ vorträgt, kann übrigens bald auch in anderer Weise Publicity erlangen. Girgensohn und Schütz sammeln die Texte ihrer Gäste, um die besten in einer Anthologie zu veröffentlichen. Lars Klaaßen

Jeden Montag, 20 Uhr, im Arkona-Filmtheater, Wolliner Straße 18 – 19

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