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■ Am Morgen danachFritzis Neujahrsansprache

Das neue Jahr beginnt, wie das vorige endete - mit einem mark- und beinerschütternden Heulton aus dem Kinderzimmer. In Sekundenschnelle stellen sich am Neujahrsmorgen die alten Fragen wieder ein: Sollte man heutzutage noch Kinder in die Welt setzen? Steht ihnen nicht die globale Katastrophe ins Haus? Werden sie nicht mindestens allergische Pickel davontragen – hervorgerufen durch genmanipulierte Möhren? Und obendrein Wale nur als Skelette im Museum kennenlernen, während sie mit Plastik-Dinosauriern spielen?

Noch schwerer wiegt jedoch die Frage, ob sie den Inhabern ihres Sorgerechts zu jeder Zeit derartig auf die Nerven gehen werden wie an diesem Neujahrsmorgen?

Schnell ins Kinderzimmer mit den farblich dezenten und an den Ecken abgerundeten Bio-Holzmöbeln gesprungen und das Schlimmste verhindern: Daß das Gebrüll noch lauter wird. Ein Rudel Plüschtiere ins Gitterbett katapultiert, Schnuller und Teeflasche mit einem gefälschten Lächeln am Kopfende drapiert und nix wie zurück unter die warme Bettdecke.

Tief Luftholen. Den nicht nur schlaftrunkenen Liebsten umarmen und murmeln, das süße kleine Fritzi werde gewiß gleich wieder einschlafen. Schließlich sei es noch mitten in der Nacht und sackdunkel.

Stimmt nicht ganz. Um Mitternacht tuteten die Schiffe. Ringsrum explodierten die privaten Licht-Shows. Zwei haben auf der Brücke über der S-Bahn den Kaiserwalzer getanzt.

Doch das ist jetzt fast acht Stunden her, und Fritzi mit seinen fünfzehn Monaten weiß das. Genau genommen ist Frühstückszeit, und diese verpennten Elternlehrlinge kommen wieder nicht aus der Koje. Fritzi brüllt aus Leibeskräften. Gleich werden sie den schweren Dublo-Legosteinkasten von Weihnachten in mein Bett hieven. Nur um für sich noch ein Viertelstündchen in den warmen Federn herauszuschlagen.

Aber da haben die sich geschnitten, denkt Fritzi und holt tief Luft...Paula Roosen

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