■ QUERBILD: Am Ende der Gewalt
Wenn Wenders Kino auf die Reise zum Großenganzen geht, den unverstellten Blick auf die medial abgegriffene Welt erprobt oder den einen wahrhaftigkeitsverdächtigen Ton mit dem Schmetterlingsnetz des Autorenfilmers einfängt, dann ist es immer ganz aufgeregt und andächtig. Dann plustert es sich auf und hat alle Hände voll zu tun, das ganze Bedeutungsblei in Form zu gießen. Daß sich Wenders gerne an den eigenen Melancholiker-tränen wärmt, daran hat sich auch in seinem neuen Film Am Ende der Gewalt nichts geändert. Diesmal aber gestaltet sich die ganze Heimatsucherei als recht agile Angelegenheit mit zahlreichen Versatzstücken aus amerikanischen Gangsterfilmen.
Die titelgebende Kraft tritt jedoch nicht als klaffende Platzwunde oder komplizierter Knochenbruch auf. Wer erschossen wird, fällt einfach aus dem Bild. Wie Ray (Gabriel Byrne), der in einer Überwachungswarte ganz L.A. auf seinen Monitoren überschaut und schließlich als Sicherheitsrisiko selbst vom FBI beseitigt wird. Auch sein Freund Max, ein Filmproduzent, der mit Werken wie Creative Killing seine Horrorfans angefixt hat, weiß: „Paranoia ist Amerikas Exportschläger. Deswegen bin ich im Filmgeschäft“. Und deswegen schätzen ihn auch die Killer. „Ich mag dich“, gesteht einer der beiden, die Max abballlern sollen und läßt jetzt mit sich handeln.
„Definieren sie Gewalt!“bestimmt Stuntfrau Cat, bevor sie sich beim Sturz das Gesicht aufschlägt. „Angst, Abwesenheit von Liebe“, antwortet später ein Polizist und verliebt sich.
Die Choreographie, mit der Wenders die verschiedenen Handlungsstränge umeinanderzwirbelt ist durchweg elegant. Die Dialoge sind bisweilen sogar witzig, und wenn Max mißachtete Gattin verkündet, sie werde ihn verlassen, um dann wieder in ihrem Guatemala-Bilderbuch zu blättern, gelingt dem Regisseur gar Ironie. Und manchmal schämt sich Am Ende der Gewalt auch gar nicht, wie ein Thriller auszusehen, der etwas asthmatisch immer wieder Anlauf nehmen muß, um dann doch nicht seinen show down zu feiern. Der Schluß gehört jedoch wieder dem wendertypischen Sehnen, jener scheinbar biologischen Berufung für die große Einsamkeit, die kernige Kumpanei, die Rückkehr in die Großfamilie und wiedergefundene Unschuld. „Je länger ich auf den Feind gewartet habe, desto mehr bin ich selbst zum Feind geworden“, drückt Max, der nun in der Gärtnerei ein erfüllendes Hobby gefunden hat, sein Altherrensputum aus dem Off auf die letzten Einstellungen. . big
Abaton, Holi, Studio, UFA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen