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Altvordere vorn

■ Southern Night mit und »Molly Hatchet«

Rex sagt, sie hätten zuviel rumgegniedelt, immer auf die gleiche Stelle, aua. Aber Hilmar sagt, ich solle nicht so streng mit ihnen sein, die Jungs hätten schon einiges durch in ihrem Leben und dafür seien sie doch immer noch gut drauf. Ich schließe mich den beiden an, daß A und O des Kritikers ist schließlich seine Wandlungsfähigkeit.

Weil von der Neuen Welt ins Metropol verlegt, beginnt das Ereignis etwas später. »Foghat« kommen aus Miami und liefern deshalb erst einmal ein wenig von der legeren Aufmüpfigkeit ab, die wir im harten Serienalltag schätzen lernten. Manchmal klingen sie auch wie die Jungs von der Erweiterten Oberschule, die seit Jahren erfolglos an der Fusion von Southern Rock und Avantgarde basteln. Da geben sich die Altrocker von »Molly Hatchet« dann wesentlich direkter. Nach gut zwanzig Jahren im Geschäft, gehen sie auf Nummer Sicher. Frontmann Danny Joe Brown hat sein Sextett voll im Griff, verteilt die Aufträge für Soli und Breaks. Schön anzusehen, wie der Handwerksbetrieb funktioniert — ein gutes Beispiel für den Fortbestand des Taylorismus im Mutterland.

Doch merke: ein Unternehmen wird nur erfolgreich, wenn es sich auch nach außen hin gut verkauft. Im Falle dieser Firma sind wahre Dunkelmänner am Werke. Dunkelmann Nummer eins: der Lichtmann. Dieser will unbedingt herausfinden, wie er einen gerade kollabierenden Flipper möglichst originalgetreu imitieren kann. Eine so bescheuerte architektonische Leistung durfte ich schon lange nicht mehr erleben — alle Achtung! Dunkelmann Nummer zwei: der Tonmann. Unten dreht er den Bums raus, bringt dafür ganze Obertonwälder zum Rauschen — bravo! Beim Blick auf die Bühne schmecke ich den Bourbon, den Sänger Brown mir per T-Shirt empfiehlt. Nehme ich alles zusammen wahr, muß ich zwangsweise zu Southern Comfort wechseln. Eine unangenehme Mischung. Am Ende siegt der Likör und ich verziehe den Mund.

Als die Gemeinde nach einer Stunde mit durchweg härterem Songmaterial gierig auf ein paar nette Balladen wird, verschwinden die Handwerker erst einmal in die Garderobe. Das noch fällige Let-me- introduce-the-members-of-our-crew wird dann im Zugabenteil in reichlich albernen solistischen Gebärden abgearbeitet. Die von mir favorisierte Peinlichkeit kommt vom Keyboard und heißt Kirchenorgel-Imitation. Als dann nach zehn bangen Minuten der allseits gefürchtete Gitarren-GAU beginnt, verlassen Rex, Hilmar und ich fluchtartig das Gebäude. Später, bei einem guten Bourbon, reden wir uns über unsere Eindrücke aus. Rex sagt, sie hätten zuviel... (siehe oben). Baumgartner

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