: Alternativer Ellenbogen
betr.: „Unterrichts- statt Schulpflicht“, taz bremen v. 23. 11.
Es ist schon erstaunlich, wie Teile des alternativ angehauchten Bildungsbürgertums es schaffen, sich nach schlichten Gesetzesverstößen durch Grundsatzdebatten den moralindurchtränkten Schein des Gutmenschen zu verleihen. Ob die Körnerwall-Schule eine gute oder schlechte Pädagogik betreibt, kann ich zunächst nicht beurteilen. Dass sie aber zum heilenden Impulsgeber für das öffentliche Schulwesen aufgeblasen wird, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Ohne Zweifel haben Schulen in freier Trägerschaft sehr oft wichtige Impulse für das staatliche Schulwesen geliefert (…) Es ist aber so, dass die öffentlichen Schulen die (letzte?) gesellschaftliche Einrichtung sind, in denen sich alle Schichten treffen und in denen das Miteinander über die Statusgrenzen hinweg gelernt werden kann. Die öffentlichen Schulen stellen sich dieser Aufgabe und werden dabei in Bremen nicht sonderlich gefördert. (…) Daraus und aus den Unterschieden der Menschen mit ihren Prägungen ergeben sich im Schulalltag viele Konflikte. Diese verarbeiten und mit ihnen umgehen zu lernen, ist eine der gesellschaftlichen Schlüsselqualifikationen, die im öffentlichen Schulwesen vermittelt werden. Aber es ist in Mode gekommen, genau diesen Prozess zu diskreditieren.
Da unterscheidet sich der ehemalige Bildungssenator bei Reden im Umfeld von Schulen in freier Trägerschaft nicht vom vermeintlich alternativen Kleinbürger am Körnerwall. Statt sich der gesellschaftlichen Aufgabe zu stellen, organisieren diese ihre von Konflikten weitgehend entsorgten Nische. Das hätte einmal die Handelskammer oder die Fatih-Moschee machen sollen. (…) Für Ausnahmen gibt es geregelte Wege. An die müssen sich alle halten, ansonsten ist der Weg völlig frei für eine noch weiter brutalisierte Ellenbogenpolitik, die undemokratisch und ausgrenzend ist, auch wenn sie alternativ angestrichen daherkommt. HELMUT ZACHAU, Bremen