Alternativen zum Öl: Kapitäne vom Winde verwöhnt
Ein Frachter mit Winddrachen spart 15 Prozent Treibstoff und 150.000 Dollar im Jahr. Das zeigt ein 7-monatiger Test
HAMBURG taz Segelnden Frachtschiffen gehört die Zukunft, glaubt Stephan Wrage. "Wind ist immer billiger als Öl", sagt der Geschäftsführer der Hamburger Firma SkySails, und jetzt sei auch erwiesen, "wie er genutzt werden kann". Der Küstenfrachter "Michael A." habe im siebenmonatigen Probebetrieb mit einem 160 Quadratmeter großen Winddrachen etwa 15 Prozent weniger Treibstoff als ein herkömmlicher Frachter verbraucht. Nach heutigen Preisen seien das "übers Jahr runde 150.000 Dollar Ersparnis", so Reeder Gerd Wessels am Donnerstag im Hamburger Hafen an Bord des 90 Meter langen Schiffes.
Seit Oktober 2007 fährt der Küstenfrachter auf seinen Touren zwischen Norwegen und der Türkei als weltweit erstes Schiff mit dem computergesteuerten Segel. Der Vergleich mit seinen 13 herkömmlichen Schwesterschiffen ist frappierend: Je nach Wind sank der Verbrauch um zehn bis über 50 Prozent, alternativ konnte das Tempo von 10 auf fast 12 Knoten gesteigert werden. Für Reeder Wessels ist beides "wie Bargeld".
Der weltweite Seeverkehr hat sich seit Mitte der 1980er-Jahre verdoppelt. Experten erwarten, dass der Ölverbrauch der Schifffahrt von 280 Millionen Tonnen in 2001 auf 400 Millionen Tonnen im Jahr 2020 steigen wird. Schiffe blasen fast drei Prozent aller Klimagase in die Atmosphäre - fast so viel wie die Menschen in Afrika.
Fatal sind auch die Schadstoffe, die aus den Schornsteinen entweichen. Die Schiffe fahren vorwiegend mit Schweröl - ein zähflüssiges Abfallprodukt des Erdöls. Dafür enthält Schweröl 2.700-mal mehr Schwefel als Lkw-Diesel und setzt in großen Mengen Ruß und Stickoxide frei. "Skysails ist also auch Klimaschutz", sagt Wrage.
Reeder Wessels hat für drei neue Schiffe bereits Segel bestellt. Der Stückpreis von rund 400.000 Euro amortisiere sich "in gut vier Jahren bei heutigen Ölpreisen". Zudem liegen Wrage zwei Aufträge anderer Reedereien und 100 Anfragen vor. In vier Jahren will SkySails das Segel auf 600 Quadratmeter vervierfacht haben. Das würde für Supertanker nicht reichen, aber für mittelgroße Schiffe bis zu 60.000 Tonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ministerpräsident in Thüringen gewählt
Mario Voigt schafft es im ersten Versuch
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“