piwik no script img

Alte Schätze verbuddelt im Schutt

■ Im Boden unter der alten Wertpapierbörse haben Archäologen etwas höchst Wertvolles entdeckt: das „älteste Haus Bremens“

Die einstige Wertpapierbörse an der Obernstraße ist nur noch eine Hülle. Innen wird sie entkernt, um als topmoderner Bau im alten Kleid wieder aufzuerstehen. Und in ihrem schuttvollen Inneren birgt sie so manchen Schatz. Gestern präsentierten der Bremer Landesarchäologe Manfred Rech und seine Mitarbeiter, was sie im Fundament des steinernen Riesen entdeckt haben: das älteste Haus Bremens. Oder was davon übrig blieb. Lange werden die Reste nicht mehr zu sehen sein.

Denn der Bagger mit seiner mächtigen Schaufel arbeitet sich dröhnend an Schutt ab, und nach Pfingsten wird er auch die Ausgrabungen zugeschüttet haben. Die zwei Ausgrabungsstellen auf der Baustelle bieten ganz Unterschiedliches. Das erste Areal zeigt dem Laien wenig Spektakuläres: schwarze Verfärbungen der Sandschicht. An sichtbaren Details bietet sie nur eine dunkle Tonkugel mit Loch und Einkerbung, zudem Keramik-Fragmente. Dies seien Reste eines Grubenhauses, einer in eine Grube gebauten Hütte, so Landesarchäologe Rech. Die Tonkugel identifiziert er als ein Gewicht für den Webstuhlbetrieb. Als „spektakulären Fund für die Geschichte Bremens“ bewertet Rech diese unscheinbaren Reste aus dem 9. Jahrhundert am Siedlungsrand zur Balge. Denn sie beweisen dem Fachmann, dass hier mal ein Haus stand. Rech: „Es ist das älteste Haus in Bremen.“

Rechs Theorie, die er durch das heute kaum noch vorhandene Hüttchen in der Wertpapierbörse gestützt findet: Bremen war schon im 9. Jahrhundert zentraler Platz für Fernhandel. Von Haitabu bis Paris agierende friesische Händler vertrieben somit auch in Bremen Tuch, Leinen, Stoffe und Sklaven. Der neue Fund passt in das bisherige Bild von Bremen als Stadt mit schon früher besonderer Bedeutung.

Die zweite Grabungsstelle auf dem Gelände zeigt einen Lagerraum aus dem 10. Jahrhundert, der im Laufe der Zeit zur Müllhalde wurde: ein Gemenge aus Backsteinen, Tonscherben, Glasfragmenten. Hier finden sich verzierte Glasscherben venizianischer Art – durchaus Luxusgüter in der damaligen Zeit – und Steingutimporte aus Siegburg bei Bonn. Außerdem haben die Archäologen eine Bronze-nadel, einen Fingerhut und eine – natürlich – aufgebrochene Spardose aus dem 15. Jahrhundert im Erd-reich aufgestöbert. Chef-Archäologe Rech erklärt, dass die Probleme der Entsorgung von Überflüssigem in damaliger Zeit eher noch größer als heute gewesen seien.

Das Archäologen-Team arbeitet gegen die Zeit. Carl Christian von Fick, gelernter Bergmann, war von 1978 bis 1995 als Grabungstechniker beschäftigt. Auch im Ruhestand macht er weiter – und seine Mitarbeit ist bitter nötig. „Abgesehen von engagierten Studierenden steht bei schlechter Bezahlung nur noch ein ausgebildeter Archäologe zur Verfügung und dies nur tageweise“, sagt von Fick. Die Zeit drängt, sehr rasch müssen die Fundstücke geborgen werden, denn der Bagger rückt näher ...

Klaus Lübeck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen