: Als die Liga kaufen lernte
■ 46 Geschichten aus der Geschichte des Fußballs / Elf und Crime
Nicht immer war der SV Werder in der Bundesliga so langweilig wie derzeit. Ganz im Gegenteil, die grün-weißen Bremer haben Fußball-Geschichte geschrieben, und in der Tristesse der Gegenwart balsamiert die ruhmreiche Vergangenheit vielleicht die Fußball-Nerven.
Da ist zum Beispiel das erste Bundesliga-Tor. Es fiel im Bremer Weser-Stadion, gerade 56 Sekunden war es her, daß am 24. August 1963 die ersten acht Spiele der Liga angepfiffen worden waren. Der Dortmunder Timo Konietzka brachte seine Mannschaft gegen die Bremer 0:1 in Führung, der erste bundesligareife Torschrei ging auf Kosten von Grün-Weiß, was aber nichts ausmachte, weil die heldenhaften Werderaner am Ende mit 3:1 als Sieger vom Platz gingen.
Dann kamen schon die ersten Geschichten mit dem Geld. Als Bremen Meister wurde, 1965, da hatten die Grün-Weißen schon ihren Namen als „Texas-Elf“ weg. Die Bremer Tabakwarenfabrik Martin Brinkmann (Zigaretten- Marke: Texas) sorgte damals schon für aufmunternde Taschengelder bei diversen Transfers an die Weser. Dieter Burdenski oder Dragomir Ilic, die kamen nicht nur wegen des ewigen Regens, und manch anderer aus dem Bremer Aufgebot wird das verstanden haben. Josef Piontek, Arnold „Pico“ Schütz, Max Lorenz, das waren die Helden von Werder, die mit Geld im Rücken und einem perfekten 4-2-4 alles auseinandernahmen, was sich ihnen in den Weg stellte.
Werder dürfte auch als Sieger des kuriosesten Spiels der Liga gelten. Man schrieb den 3. April 1971, und die Partie auf dem Mönchengladbacher Bökelberg zwischen der Borussia und Werder Bremen steht 1:1, als nach einem Pfostenschuß ein Bremer Pfosten schlicht und ergreifend brach. Wenige Tage später hatte Bremen das Spiel „am grünen Tisch“ mit 2:0 gewonnen, Gladbach wurde später trotzdem Meister.
Nachzulesen sind die schärfsten Geschichten aus den ersten zehn Bundesliga-Jahren jetzt in einem Buch der beiden Sportjournalisten Ulrich Homann und Ernst Thoman. Berichte, Biographien und Anekdoten aus der Kindheit der Liga sind da gesammelt, liebevoll erzählt und nostalgisch bebildert. Und wen die Liebe zu Grün-Weiß allein nicht ermuntert, für den hat das Bändchen auch etliches aus den Fußball-Vereinen zwischen Hamburg und München zu bieten.
Zum Beispiel die Geschichte von Rudi Brunnenmeier, den sensationellen Mittelstürmer von 1860 München, den außer Fußball nichts interessierte und den die lieben Freunde ausgenommen haben wie eine Weihnachtsgans. Oder wie Stan Libuda lieber beim Arbeitsamt stempeln ging als seine Geschichte für Geld an den „Spiegel“ zu verkaufen, wie der Offenbacher Präsident Horst Canellas die ganze Bundesliga hochgehen ließ, weil die Spieler geschmiert worden waren, wie Tasmania Berlin per Zufall in die Liga kam und in einer Saison acht Punkte holte und ganze 15 Tore schoß und warum die Bayern so gut waren Anfang der Siebziger.
Und wie Horst Köppel als erster seine Glatze verkaufte, indem er für Toupets geworben hat, die so fest saßen, daß er jede Ecke mit dem Kopf nehmen konnte und wie die ersten Spielervermittler mit Mafia-Methoden den Transfer-Markt unter Kontrolle bekamen. Und wie Otto Rehhagel 1963 bei Hertha BSC in der Bundesliga „auf Arbeit“ ging und den ersten Trainerwechsel der Bundesliga erleben mußte, was ihn aber nur als Spieler betraf. mad
Ulrich Homann, Ernst Thoman: Als die Ente Amok lief, Klartext-Verlag Essen, 34 Mark
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